Im Land des Falkengottes. Amenophis
seinen Hals, als wollte er sich an den Pfeilenden festhalten und sich nach oben ziehen. Blut rann aus seinem Mund, und die ekelerregende Gestalt, die jetzt noch widerlicher anzusehen war als vorher, sackte endlich tot in sich zusammen.
Sofort drehte ich mich nach Senu um. Auch er stand unverletzt da, während der Mann, der ihn eben noch bedroht hatte, mit einem Pfeil im Hals tot zusammenbrach.
Ich war ratlos und starrte noch auf Senu, da hörte ich in einiger Entfernung weitere Todesschreie und das Stöhnen sterbender Menschen. Augenblick um Augenblick vergingén, bis ich endlich begriffen hatte, wem wir unser Leben verdankten: Es war Ameni selbst.
Nur langsam kam er mit dem schussbereiten, aufs Äußerste gespannten Bogen in seinen Händen, hinter einem Felsblock hervor. Er trug weder Helm noch Perücke. Sein kurzes schwarzesHaar stand wirr in alle Richtungen, und seine Augen blitzten hellwach umher, weil er nach weiteren Feinden Ausschau hielt. Dann sah ich auch die anderen Krieger Nimurias, die nacheinander hinter Felsen und aus Gräben hervorkamen, geduckt, jeder einen gespannten Bogen in der Hand. Schließlich stand Amenophis direkt vor mir.
Ich wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen, sondern warf mich vor ihm nieder, die Arme ausgestreckt, das Gesicht im Staub. Träne um Träne lief aus meinen verquollenen Augen in den Sand. Es war totenstill. Wie Blitze zuckte es durch meinen Kopf, wie unvernünftig ich mich benommen hatte, und es gab für mich in diesem Augenblick keinen Zweifel, dass ich für immer die Gunst und die Gnade meines Freundes verloren hatte.
«Was ist los mit dir, Eje?»
Es war die Stimme Amenis, ruhig, sanft, freundschaftlich. Da strich eine Hand durch mein Haar, umfasste meinen Hals und schüttelte mich ein wenig, wie eine Katze, die mit ihrer Beute spielt.
«Es ist doch alles vorbei! Niemand bedroht euch mehr. Wir haben die ganze Räuberbande auf einen Schlag ausgelöscht», versuchte er mich zu beruhigen.
Langsam hob ich meinen Kopf und drehte mich zur Seite. Amenophis saß neben mir im Sand, die Beine übereinander geschlagen, den Bogen noch immer in der linken Hand.
«Großer Amun! Wie siehst du denn aus?»
Ameni lächelte mich an.
«Inena dürfte dich nicht so sehen: mit laufender Nase, verheulten Augen, das Gesicht verschmiert mit einer Mischung aus Augenschminke, Tränen, dem Blut eines Verbrechers und dem Staub der Wüste. So stellt sich jede Frau ihren Helden vor!»
Er hatte ja so Recht. Ich setzte mich ebenfalls auf, fiel ihm um den Hals und weinte fürchterlich. Als ich mich beruhigthatte, und während seine Soldaten die toten Verbrecher heranzerrten, setzten wir uns auf einen Felsblock. Ich wischte mir mit einem Tuch das Gesicht ab und erzählte ihm mein ganzes Ungemach, alles, was mich am Vortag oder schon länger so betrübt hatte, einfach all meinen Kummer. Ohne mich zu unterbrechen hörte er mir zu.
«Wenn du jetzt meine Meinung hören willst, dann gut! Was deine letzte Übeltat mit Rena betrifft, so geht mich das nichts an. Sie ist deine Dienerin, und ich hoffe, du bist alt genug, um zu wissen, was du tust. Du solltest dir nur etwas für den Fall überlegen, dass sie dir ein Kind schenkt. Was deinen Freund Mahu anbelangt, kann ich deinen Ärger nicht begreifen. Wenn du einen guten Verwalter oder Schreiber gefunden hast, dann melde ihn mir, und ich werde das Nötige veranlassen. Er wird dann vor Meiner Majestät erscheinen und erfahren, was geschieht. Was Inena betrifft, da kann ich dir allerdings nicht helfen. Ich hatte dir in Waset angeboten, dass du sie zu dir nimmst. Ich kann nicht mehr tun, außer dir raten, sie so schnell als möglich zu vergessen, und zwar am besten in Babylon.»
Ich schaute Ameni ungläubig an, kniff die Augenbrauen zusammen und sagte zaghaft: «Weshalb in Babylon?»
«Weil du nach der Erhebung deiner Schwester zur Großen königlichen Gemahlin in meinem Auftrag nach Babylon reisen wirst, um dir diese offenbar schon zu Lebzeiten sagenumwobene Perisade anzusehen», antwortete er mir mit blitzenden Augen, und es zuckten seine Mundwinkel, wodurch er das Lachen gerade noch unterdrücken konnte.
«Aber das ist genau das Problem, Ameni! Ich kann doch nicht wenige Tage nach deiner Heirat mit Teje, die ja deine Große königliche Gemahlin und nicht irgendeine Nebenfrau werden soll, nach Babylon zu König Kurigalzu reisen, um dort Ausschau nach einer weiteren Braut für dich zu halten!»
«Warum eigentlich nicht? Es ist schon seit langer Zeit
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