Im Land des Falkengottes. Amenophis
begaben sich in die weiträumige Kasernenanlage der Division des Ptah im Osten von Men-nefer. Der Anblick war beeindruckend. Auf einer Seite stand der nahezu endlose Tross mit hunderten Soldaten, Eselsgespannen mit Proviant, einer Einheit Wagenlenker und den vielen, vielen Maultieren, die paarweise zusammengebunden waren und die ein unendlich langes Seil miteinander verband. Auf der anderen Seite des Platzes war die gesamte Division des Ptah angetreten. Amenophis lenkte selbst seinen Prunkwagen. Er trug den blauen Chepresch. Neben ihm auf dem Wagen stand mein Vater. Der Hofstaat nahm am Ende der Truppenteile Aufstellung.
In langsamem Schritt fuhr der Wagen Pharaos an den Soldaten vorbei. Nimuria und mein Vater sahen in die Augen fast jedes Einzelnen von ihnen. Sie machten kehrt und fuhren ebenso langsam am gesamten Tross, der nach dem Libanon reiste, entlang. Dann hielten sie vor der Streitwagentruppe an. Genau dreihundert zweispännige Streitwagen, jeder mit zwei Soldaten besetzt, standen in Dreierreihen vor Pharao und meinem Vater. Wie es Nimuria in Waset versprochen hatte, rief er nun vor allen Soldaten und vor dem ganzen Hofstaat meinen Vater zum Stellvertreter Seiner Majestät bei der Streitwagentruppe aus. Danach fuhr Ptahmay einen zweiten Streitwagen vor, den mein Vater alleine bestieg, und er erhielt die große Ehre, neben Pharaos Wagen nochmals an allen Soldaten vorbeizufahren. Diese bekundeten ihre Achtung vor ihrem neuen Kommandanten dadurch, dass sie während der ganzen Parade mit ihren Schwertern und Keulen im Takt gegen die Schilde schlugen.
Danach hielt Pharao der abmarschbereiten Truppe eine kurze, aber eindrucksvolle Ansprache, in welcher er die Soldaten zur Tapferkeit ermahnte, ihnen Erfolg und eine glückliche Heimkehr wünschte. Dann verabschiedete er sich persönlichvon Ptahmay und raste mit seinem Streitwagen, gefolgt von vier Gespannen seiner Leibgarde, mitten durch die jubelnden Soldaten hindurch zurück zum Palast. Während der Fahrt blieb sein Gesicht ernst, und jeder Einzelne seiner Muskeln schien angespannt zu sein, sodass er wie ein unüberwindbarer Kriegsheld wirkte. Diese Art von Abschied machte ihm Spaß, er ließ sie sich später zur Gewohnheit werden.
Ich selbst war in die Vorbereitungen der Expedition nicht eingebunden und hatte deswegen ausreichend Zeit, mich um meine eigentlichen Aufgaben, nämlich die Landvermessung und die Verwaltung der Steinbrüche, zu kümmern. Deswegen suchte ich schon bald meinen alten Freund, den Lagerverwalter Chaemhet, der Mahu genannt wurde, auf. Seine Freude war groß, als ich seine Amtsstube betrat. Gern bestätigte er mir, dass er am Tag unserer Ankunft in Men-nefer auf dem Dach seines Getreidespeichers gesessen und mich von weitem erkannt und winkend gegrüßt hatte. Ich konnte es kaum glauben, dass sich unsere Polizeiaktion in Waset bereits bis Men-nefer herumgesprochen hatte. Mahu wusste mehr davon, als ich gedacht hätte. Mir war es recht, denn auch in Men-nefer sollten ruhig alle wissen, dass sich Nimuria nicht betrügen ließ.
«Ich habe dir allerhand zu verdanken, Mahu. Und deswegen will ich dich etwas fragen», lenkte ich von dem unschönen Thema ab.
«In Waset ist es sehr angenehm, und Pharao und ein großer Teil des Hofstaates werden in absehbarer Zeit dorthin umziehen. Seine Majestät braucht dort dringend einen zuverlässigen Verwalter der königlichen Domänen, und da hatte ich an dich gedacht.»
«Du machst Scherze, mein Freund.» Mahu, der immer noch auf seinem Schemel saß, schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel.
«Ich wüsste nicht, weshalb ich scherzen sollte. Ich habe dir doch gerade lang und breit erzählt, wie wenig wir den Leuten dort trauen», erwiderte ich ihm.
«Aber ich kann doch hier nicht alles liegen und stehen lassen und einfach mit dir nach Waset ziehen! Und was passiert, wenn der Gute Gott – er lebe, sei heil und gesund! – wenn der Gute Gott mit meiner Arbeit nicht zufrieden ist?» Mahu sah mich mit großen fragenden Augen an. Ich beugte mich ein wenig nach vorne und machte mit meinem ausgestreckten rechten Zeigefinger eine Bewegung, als wollte ich mir die Kehle durchschneiden.
«Ganz einfach: Kopf ab!»
Dabei musste ich selbst schallend lachen und schüttelte ungläubig den Kopf.
«Mahu! Was glaubst du eigentlich, wer Pharao ist? Ein Ungeheuer? Wir brauchen fleißige und vor allem zuverlässige Männer. Du verstehst etwas von deiner Arbeit, und genau das ist es, was Nimuria will: Leute,
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