Im Land des Falkengottes. Amenophis
Bes, den beiden Gottheiten für eine glückliche Geburt. Ameni schätzte meinen Palast und dessen Einrichtung sehr, aber jetzt, da er seinen eigenen Palast errichten ließ, betrachtete er sich alles noch genauer und stellte tausend Fragen. Sein Schreiber musste alles festhalten, jede Farbmischung, die Herkunft der Hölzer, die Namen der Maler und Fliesenleger. Ich war froh, dass mein Haus fertiggestellt war, denn die Handwerker, die für mich gearbeitet hatten, wurden jetzt allesamt zum Palast Pharaos befohlen.
«Wisst ihr denn schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?», fragte meine Mutter in die Runde, und Merit und ich sahen uns staunend und mit großen Augen an.
«Wie meinst du das, Mutter?»
«Also, Eje, ich bitte dich! So wie ich es sagte. Oder wisst ihr etwa nicht, wie man das feststellen kann?»
Wieder sah ich zu Merit. «Weißt du es?» Sie schüttelte leicht den Kopf, dann sahen wir beide Mutter an.
«Du füllst Gerste und Emmer in zwei Leinensäcke, welche die Schwangere jeden Tag mit Urin benetzt. Wenn die Gerste zuerst keimt, wird es ein Junge. Keimt der Emmer zuerst, wird es ein Mädchen. Wenn keines von beiden keimt, dann ist sie nicht schwanger.»
Wir glaubten ihr natürlich kein Wort, doch die Achtung vor meinen Eltern verbot es uns, laut loszulachen. Einige Tage später fragte ich jedoch so ganz nebenbei den Leibarzt Nimurias, welcher mir die Worte meiner Mutter bestätigte. Niemand konnte mir allerdings erklären, warum das so war. Merit und ich wollten uns den Spaß nicht entgehen lassen und befahlen einer Dienerin, Gerste und Emmer in Leinensäcke zu nähen, und Merit tat, wie Mutter sagte. Es keimte zuerst der Emmer.
Ich verwöhnte Merit so gut ich konnte. Ich erzählte ihr nur schöne, erfreuliche Geschichten, brachte ihr Blumen und Schmuck. Mit Nimurias Einverständnis verbrachte ich mehr Zeit als sonst zu Hause und ließ einen Großteil meiner Arbeit von Cheruef und Hebi, dem Sohn des Wesirs Ramose, verrichten. Dafür überprüfte ich die Lagerlisten meines Landgutes und meiner eigenen Werkstätten und stellte zu meiner Zufriedenheit fest, dass Hebi ein tadelloser Verwalter war. Es dauerte nicht sehr lange, und ich fand Gefallen an diesem Leben. Vormittags, bevor die Hitze unerträglich wurde, verbrachte ich einige Stunden mit Merit in unserem Garten, entweder alleine oder mit Anen, dem Sohn meines Onkels, der als Vorlesepriesterim Tempel Amuns diente. Dann führten wir drei Gespräche über unsere Götter und den Tempeldienst, über die Gebote der Maat und das jenseitige Leben. Wir lasen gemeinsam die Schriften des Amduat, «Was in der Unterwelt ist», und Anen erklärte uns ihren Inhalt. Er beschrieb uns das Jenseitsgericht ebenso wie den Kult für Amun, Hathor und Chons.
Die Nachmittage verbrachten wir alleine im Schatten der Bäume, wo Merit ihren Eltern Briefe schrieb, oder wir empfingen Besuch von Acha und Iset, meinen Eltern, von Teje oder von anderen bedeutenden Leuten, die sich neugierig nach Merits Wohlergehen erkundigten.
Eines Tages erschien Cheruef und meldete, dass eine fremde Frau darum bat, zu mir gelassen zu werden. Er zeigte mir ein Schriftstück, welches mein Siegel trug. Es war Ti, die junge Witwe des so schrecklich hingerichteten Maj aus Napata. Ich ließ Ti in den Garten bringen und stellte sie Merit vor. Merit fand Gefallen an dem Mädchen, und so blieb Ti seit diesem Tag als Hofdame Merits in unserem Hause.
Je näher die Zeit der Niederkunft rückte, desto mehr war ich darauf bedacht, dass wieder Ruhe in unser Haus einkehrte. Jeder Handgriff wurde jetzt für Merit anstrengender, und sie war auch leichter reizbar als sonst. Wenn jetzt Teje oder meine Mutter zu Besuch kamen, zog ich mich zurück, da die Frauen bei ihren Gesprächen über die bevorstehende Geburt sicher unter sich sein wollten.
Auf dem Dach unseres Hauses wurde eine Hütte errichtet, eine Wochenlaube, die an das Papyrusdickicht erinnerte, in dem Isis, geschützt von den Mächten des Bösen, ihren Sohn Horus zur Welt gebracht hatte. Die hölzernen Säulen der Laube hatten auch die Form von Papyrusstängeln und versinnbildlichten so den Ursumpf, die Quelle allen Lebens. Die Säulen und Wände waren mit Kletterpflanzen geschmückt, im Inneren standen die goldenen Figuren von Bes und Thoeris,die Geschenke Amenis und Tejes. Die Laube war mit einem Bett, Kissen, Tüchern, Hockern, einem Spiegel und magischen Elfenbeinamuletten und dem Gebärstuhl ausgestattet.
Nimuria schickte Tejes Leibarzt
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