Im Land des Falkengottes. Amenophis
und drei Hebammen seines Palastes in unser Haus. Die Wehen setzten ein, als Merit und ich unseren abendlichen Spaziergang durch unseren Garten unternahmen. Ich begleitete sie in unser Schlafgemach und überließ sie dort nach einem innigen Kuss dem Arzt, den Hebammen und Hofdamen, die Merit erst badeten und dann in die Geburtslaube brachten.
Ich saß alleine auf unserer Terrasse und trank einen Becher Wein. Ich dachte an meine Reise nach Babylon und den Augenblick, als ich Perisade zum ersten Mal sah. Ich erinnerte mich, wie sie mich pflegte, als ich mit Fieber im Bett lag. Der Himmel über mir war dunkelblau, fast schwarz, und man konnte die Sternbilder besonders gut erkennen.
Nach gut drei Stunden hörte ich vom Dach her erst das laute Stöhnen Merits und die Stimmen der Hebammen. Mein Herz schlug schneller, und ich machte mir Sorgen, ja, ich hatte Angst. Für einen kurzen Augenblick wuchs das Stöhnen zu einem Schreien an. Dann vernahm ich nur noch die Hebammen und kurz darauf die zierliche, ängstliche Stimme des Neugeborenen. Ich nahm meinen Becher, erhob ihn zum Himmel und sagte leise: «Auf deinen Ka, mein Kleines!»
Da hörte ich Getrampel im Inneren des Palastes, ein Stimmengewirr und eine der Hebammen lief auf die Terrasse und warf sich vor mir nieder. Völlig außer Atem stöhnte sie: «Schnell! Schnell Herr, kommt auf das Dach … die Herrin!»
Ehe die Frau fertig geredet hatte, sprang ich auf und rannte durch den Palast hinauf auf das Dach. Mir bot sich ein Anblick des Grauens. Der ganze Boden der Geburtslaube war von Blut bedeckt. Merit lag mit blassem Gesicht auf dem Bett. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, und sie atmete schwer.Neben ihr stand Ti und trug das Kind auf ihren Armen. Voller Entsetzen starrte ich in die Runde, aber alle sahen zu Boden und schwiegen, selbst der Arzt. Ich kniete neben dem Bett nieder und nahm Merits Kopf in meine Hände und küsste ihre Stirn. Sie lächelte, und machte doch ein so trauriges Gesicht.
«Was ist mit dir, meine Liebe?»
«Deine Mutter hatte Recht», sagte sie mit schwacher Stimme.
«Der Emmer – es ist ein Mädchen.»
Ich winkte Ti herbei, die mir weinend das kleine Leinenbündel hinreichte. Das Mädchen hatte schwarze Haare und schmale Lippen. Es schlief. Ich legte das Kind neben Merits Schultern auf das Bett.
«Nofretete», flüsterte Merit liebevoll.
«Nofretete – Die Schöne ist gekommen», wiederholte ich.
Als Merit für einen Augenblick die Augen schloss, stand ich auf, ging zu dem Arzt und schob ihn aus der Laube hinaus auf das Dach.
«Sagt mir augenblicklich was hier passiert ist», herrschte ich ihn an.
«Eure Frau erlitt bei der Geburt schwere innere Verletzungen. Ich kann die Blutungen nicht stillen. Es handelt sich um eine Krankheit, die man nicht behandeln kann. Geht zu ihr zurück und bleibt bei ihr, bis die Zeit ihres Leidens vorüber ist.»
Die Antwort des Arztes schnürte mir die Kehle zu. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt verstanden hatte, was er mir gerade gesagt hatte. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Als ich die Laube betrat, blickten alle kurz auf. Ein Wink meiner rechten Hand genügte, und sie huschten lautlos davon. Ich setzte mich auf das Bett. Meine Füße standen in Merits Blut. Sie lag auf der Seite und sah mit halb geöffneten Augen ihr Kind an.
«Sie ist wirklich schön. Nafteta – man wird sie Nafteta nennen», sagte ich und streichelte Merit wieder über die Stirn. Dann beugte ich mich vorsichtig über sie und schmiegte meinenKopf an ihre linke Wange. Ich spürte, wie das Blut in meiner Stirn pochte, und immer wieder hörte ich nur die Worte des Arztes. Und ich hörte meine eigene Stimme, die immer nur nein rief, unentwegt nein.
«Nafteta», flüsterte jetzt Merit. «Nafteta …» Eine Träne lief über ihr Gesicht. Dann waren ihre Blicke starr auf das Kind gerichtet, unentwegt. Sie hatte aufgehört zu atmen.
Merit lebte nicht mehr.
Mit einem Ende des Leinenbündels wischte ich die Träne weg, die auf Merits Oberlippe hängen geblieben war, und schloss vorsichtig ihre Augenlider. Dann küsste ich sie ein letztes Mal, erst die Stirn, dann den Mund.
Nofretete erwachte. Kleine blaugrüne Augen blickten mich unsicher an. Ich nahm meine Tochter auf den Arm und sah sie lange an. Dann küsste ich auch ihre Stirn – zum ersten Mal. Ich saß noch immer auf dem Bett, meine rechte Hand berührte Merits Schulter, und ihre langen Haare glitten durch meine Finger. Ich beugte mich wieder
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