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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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über sie und weinte entsetzlich.
    «Herr, ist es nicht besser, wenn ich Eure Tochter mitnehme», fragte Ti mit zaghafter, ja ängstlicher Stimme.
    «Ich glaube, sie sollte jetzt etwas zur Ruhe kommen», setzte sie zur Bekräftigung nach.
    Ich küsste nochmals die kleine Stirn des Kindes und hielt Ti das Bündel entgegen.
    «Die anderen sollen auch gehen, Ti!»
    Sie nickte und huschte mit Nafteta davon.
    Jetzt war ich mit meinem Schmerz alleine. Lange saß ich so neben meiner Merit, und vor meinen Augen glitt unser kurzes gemeinsames Leben vorüber. Sie schenkte mir das so lange ersehnte Kind und musste selbst dafür sterben. Nofretetes Geburtstage würden immer auch die Sterbetage Merits sein. Armes Kind! Würde ich Nafteta gegenüber jemals gerecht sein können? Anfang und Ende, Fluch und Freude.
    Ich trat hinaus auf das Dach. Ich sah in den unendlich weiten Sternenhimmel und hörte unsere Nachtigall. Aber ich empfand nichts – nichts mehr. Weit weg, ja, unendlich weit weg vernahm ich die Töne einer Flöte, ganz leise, ganz zart. Ich glaubte unser Lied zu erkennen, das Lied vom «Kleinen Mädchen». Oder waren es gar nicht meine Ohren, die das Lied vernahmen? War es mein Herz, das sich in seiner unendlichen Trauer der vertrauten Töne erinnerte? Ich trat einen Schritt näher an den Rand des Daches heran und sah hinab.
    «Das wirst du nicht tun, Eje», hörte ich jetzt meine Schwester sagen.
    «Du hast ein Kind, das dich braucht», setzte Ameni nach und ergriff mich an der Schulter. Ratlos sah ich beide an.
    «Cheruef kam in den Palast und sagte uns, dass es Merit sehr schlecht gehen würde. Wir konnten leider nicht schneller da sein.»
    «Du musst nach keiner Entschuldigung suchen, Teje. Es konnte ja niemand wissen, was passieren würde.»
    Teje streckte mir ihre Hände entgegen. Ich ergriff sie, zog meine Schwester an mich und umarmte sie fest.
    Ameni warf einen kurzen Blick in die Geburtslaube und sagte: «Niemand konnte Merit retten, Eje, auch mein Arzt nicht. Es ist schrecklich, ich weiß, aber lass uns hinuntergehen. Es hat keinen Sinn, länger an diesem Ort zu bleiben. Man soll Merit hinunterbringen. Eure Eltern dürfen das nicht sehen.»
    Es war gut, dass Ameni so gefasst war, denn ich war zu keinem klaren Gedanken imstande. Teje begleitete mich in mein Schlafgemach, während Ameni Anweisungen gab, Merit in die große Halle zu bringen. Ich wusch meine blutverschmierten Beine und mein Gesicht und zog einen sauberen Schurz an.
    Als ich mit Teje die Halle betrat, stieg bereits Weihrauch aus zwei Kohlebecken empor. Etana, die Kammerfrau Merits, Ti und meine Dienerinnen stimmten Trauergesänge an.
     
    Wir besaßen nicht einmal ein Grab.
    Es kam jedoch immer wieder vor, dass bereits fertige Gräber hoher Beamter leer blieben, weil die Familien weggezogen waren. Eine dieser Grabstätten erwarb ich. Amenophis überließ mir Arbeiter der Totenstadt, damit das Innere des Grabes nach meinen Vorstellungen vollendet werden konnte. Über eine kurze Treppe stieg man in einen Vorraum hinab, dessen Wände noch unbearbeitet waren. An der linken Wand ließ ich ein Bild anbringen, welches mich und Merit auf einem Schiff unter einem Baldachin zeigte. Auf der Rechten ließ ich Merit darstellen, wie sie betend vor Hathor steht. Die Wandflächen neben dem Durchgang zur Grabkammer zeigten in drei Reihen einen Teil unserer Dienerschaft, und so ließ ich in der ersten Reihe Etana, Ti und Cheruef abbilden. An den Wänden des schmalen Durchganges waren zwei Abbildungen des Gottes Anubis in Gestalt des liegenden Schakals zu sehen. Die Decke der Grabkammer, deren Wände bereits Gottheiten wie Osiris, Hathor, Sobek und Isis zeigten, war noch kahl, ebenso die Säulen.
    Die Wände der Säulen ließ ich mit Bäumen und Sträuchern Ägyptens und Babylons bemalen, und deren üppig begrünte Äste ragten weit in die Decke hinein, sodass Merits Sarg immer im Schatten der von ihr so geliebten Bäume stehen würde.
    «Du weißt», sagte Ameni, «dass ich an der Bestattung Merits nicht teilnehmen kann. Ich lasse dir aber noch heute Grabbeigaben in deinen Palast bringen, damit du siehst, wie sehr auch ich Merit geschätzt habe.»
    Als ich heimkehrte, wurden die Geschenke Pharaos bereits ins Haus getragen. Zwei Holztruhen, in welchen jeweils zwanzig Arbeiterfiguren lagen, zwei Kästchen aus Elfenbein für Merits Schmuck, bunte, glasierte Vasen aus den königlichen Werkstätten und ein Stuhl aus Amenis Arbeitszimmer, welcher Merit immer besonders

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