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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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gut gefallen hatte. Ameni gab ihn sicher nicht leichten Herzens her.
    Mir selbst fiel es schwer, die Grabausstattung für meine Liebste auszusuchen. Immer wieder saß ich im Fenster unseres Schlafzimmers und hielt eine Vase, eine kleine Figur oder ein Schmuckstück Merits in meinen Händen, spielte damit herum und überlegte, ob es für meine Erinnerung wichtiger sein würde oder für Merits Leben im Jenseits. Meist entschied ich mich für Letzteres. Endlich schlich ich in das Schlafzimmer meiner kleinen Nafteta und schnitt ihr eine ihrer dicken schwarzen Locken ab. Auf ein Stück Papyrus schrieb ich «Haarlocke Deiner Nafteta», band die Locke an den zusammengerollten Papyrus, legte beides in ein kleines Kästchen aus Elfenbein und verschloss es mit meinem Siegel.
    Nachts lag ich schlaflos in meinem Bett, haderte mit allen Gottheiten Ägyptens und Babylons. Ich flehte sie an, mir meine Merit wiederzugeben, ich versprach ihnen mein gesamtes Vermögen, ich fluchte den Göttern für ihre grausame Tat, für ihr Untätigbleiben bei Merits Sterben. Ich hasste sie, alle einzeln, beim Namen und einen nach dem anderen. Ich Wahnsinniger schwor in meiner Verzweiflung zuletzt sogar, sie zu vernichten. Und immer wieder stellte ich dieselbe, ewig unbeantwortete Frage: Warum musste Merit sterben? Warum musste es uns treffen? Heute weiß ich, dass niemand in dieser Welt darauf eine Antwort bekommt.
    Wenige Tage vor der Bestattung Merits traf Imresch in Waset ein. Er schien ein gebrochener Mann zu sein, und in den Tagen, die er in meinem Haus verbrachte, sprach er nur wenig, aß und trank fast nichts. Er hatte seine Tochter über alles geliebt, und auch die kleine Nafteta half ihm nicht über seinen Schmerz hinweg.
    Nimuria und Teje standen auf der Terrasse ihres Palastes und sahen zu, wie unser Trauerzug erst über den Fluss setzte und sich dann langsam dem Westgebirge zuwandte. Siebzig Tage waren jetzt seit jener schrecklichen Nacht vergangen.Imresch ging neben mir, auf der anderen Seite Ti, geschützt von einem kleinen Sonnenbaldachin, und trug Nofretete auf ihren Armen. Ich geriet deswegen mit Mutter beinahe in einen heftigen Streit, meinte sie doch, dass der weite Weg in der Hitze für das Kind eine Qual wäre.
    «Es ist schließlich ihre Mutter, die zur Ewigkeit geleitet wird. Säugling oder nicht – sie hat mit dabei zu sein.»
    Während die Beigaben in das Grab gebracht und dort verstaut wurden, führte Anen, der Sohn meines Onkels, die Zeremonie der Mundöffnung durch, und meine Mutter legte einen Blumenkranz auf Merits Haupt. Dann wurde der Sarg geschlossen und in das kleine Grab getragen. Im flackernden Licht einiger Öllampen verweilte ich alleine in der Grabkammer, dann legte ich die Elfenbeindose mit Nofretetes Haarlocke neben den Sarkophag. Ich nahm eine der Lampen, löschte die übrigen, stieg aus dem Grab und ließ es von den Arbeitern zumauern. Vor dem Grab gab es ein einfaches Totenmahl. Anen sprach Gebete, während er selbst die Speisereste neben dem Eingang vergrub, dann zogen wir schweigend zurück.
     
    Amenophis und Teje, meine Eltern und meine Freunde bemühten sich rührend um mich. Es verging kaum ein Tag, da ich nicht von ihnen eingeladen, mit lieben Worten, köstlichen Speisen und Wein verwöhnt wurde. An den ersten Abenden wurde noch viel vom plötzlichen Tode Merits gesprochen, und immer wieder musste ich von den letzten Augenblicken mit ihr erzählen. Anfangs schreckte ich etwas davor zurück und hegte den Verdacht, mancher wollte nur einen Schauder erleben, wenn er von einem so plötzlichen Tod erfährt. Dann aber spürte ich, dass es mir sogar gut tat, darüber zu sprechen, und ich mich mehr und mehr von einem Druck befreite, ja lernte, mit dem Geschehenen umzugehen. Dann wurde ich oft gefragt, wie es mit meiner kleinen Nafteta weitergehen,wer sich um sie kümmern würde. Ich erzählte kurz von Ti und dass natürlich ich es sein würde, der Nafteta betreut und großzieht. Meist schlossen sich unendlich lange Ratschläge an, denn fast ein jeder meiner Freunde und Verwandten wusste besser als ich, was mit meiner Tochter zu geschehen hatte. Lediglich Amenophis erteilte mir keine Ratschläge und bat die anderen sogar um Zurückhaltung.
    «Eje wird schon wissen, was er zu tun hat», war sein ständig gleich bleibender Hinweis. Merit lag noch keine drei Tage in ihrem Grab, und mein Trauerbart war kaum abgenommen, da unterbreitete man mir schon die ersten Vorschläge, wie es mit mir weitergehen könnte

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