Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
Vom Netzwerk:
Teil aus dem Tempelschatz Amuns, des Verborgenen, unterstützt.»
    «Aber dafür wurde Amun auch alle nur erdenkliche Ehre zuteil. Er wurde Reichsgott, und zu seinen Ehren wurden die prächtigsten Tempelanlagen errichtet», entgegnete ich.
    «Eben!», sagte Anen völlig ungerührt. «Heute gäbe so mancherHerrscher etwas dafür, wenn die Amunpriesterschaft nicht über diese Machtfülle verfügte.»
    «Aber was hat das mit Osiris Thutmosis zu tun?»
    Anen stieg auf eine kleine Treppe und zog aus einem Regal eine verschnürte Papyrusrolle. Er legte sie auf seinen Tisch, löste das Band und sah mich an: «Setze Dich! Thutmosis war nicht der Erstgeborene seines Vaters und wurde dennoch Herrscher unseres Landes. Ich hoffe, du verfügst über so viel Weisheit und fragst niemanden in diesem Land, warum das so war. Auch ich kann dir darauf keine Antwort geben und würde sie dir nicht geben, selbst wenn ich könnte. Aber ich will dir von dem Traum erzählen, den der junge Thutmosis unter dem Standbild des großen Sphinx nahe den Pyramiden träumte.»
    Anen wischte mit der Rechten nochmals über das Schriftstück. Er begann zu lesen.
    «An einem dieser Tage geschah es, dass Prinz Thutmosis in der Mittagszeit herbeikam. Er rastete im Schatten des großen Gottes. Schlaf und Traum ergriffen in dem Augenblick Besitz von ihm, als die Sonne am höchsten stand. Da bemerkte er, wie die Majestät dieses edlen Gottes aus ihrem Mund zu ihm sprach, so wie ein Vater zu seinem Sohn spricht: ‹Schau mich an, sieh mich genau an, mein Sohn Thutmosis! Ich bin dein Vater Harmachis-Chepri-Amun-Re. Ich werde dir die Königsherrschaft auf Erden über die Lebenden geben. Du sollst seine weiße Krone und seine rote Krone auf dem Thron von Geb, dem Erben, tragen. Das Land wird in seiner Länge und Breite dein sein und alles, was das Auge dessen, der Herr über alles ist, erleuchtet. Gute Vorräte werden für dich sein aus dem Innern Beider Länder, die reiche Ernte eines jeden Fremdlandes und eine Lebenszeit reich an Jahren. Schon seit vielen Jahren hat sich dir mein Antlitz zugewandt; mein Herz gehört dir und du gehörst mir. Sieh nur, ich leide Schmerzen, und mein Körper ist beschädigt. Der Sand der Wüste, aufdem ich früher stand, drückt mich jetzt nieder. Ich habe darauf gewartet, dass du tust, was mir am Herzen liegt, denn ich weiß, dass du mein Sohn und Schützer bist. Komm zu mir; ich bin bei dir und leite dich.› Der vollendete Gott schloss seine Rede. Dann machte der Prinz große Augen, weil er diese Worte des Allherrn gehört hatte. Er verstand die Worte dieses Gottes und ließ sein Herz still werden. Dann sagte er: ‹Komm mit, wir wollen zu unserem Tempel in die Stadt fahren und diesem Gott Opfergaben darbringen. Wir werden ihm Rinder und verschiedene Blumen und allerlei Kraut bringen, und wir werden Lob und Preis sagen denjenigen, die vorher kamen.›»
    Anen schloss die Augen und hielt inne. Er war ganz in sich gekehrt. Dann sprach er zu mir.
    «Prinz Thutmosis hat den Sphinx vom Sand befreit, und wurde Pharao. Aber wenn du aufmerksam zugehört hast, wird dir aufgefallen sein, dass sich Thutmosis auch als Sohn des Re-Harmachis und nicht nur des Amun bezeichnet hat. Viele sehen darin den ersten Schritt einer Abkehr von Amun, von dessen Anspruch, alleiniger Vater der Pharaonen zu sein. Das setzte sich fort, als man für den Verborgenen die Bezeichnung als Amun-Re einführte. Ein weiterer Schritt ist nun, dass Nimuria den Aton, der in der Götterwelt bisher nahezu bedeutungslos war, in zunehmendem Maße erwähnt, was niemand so recht verstehen kann und bei den Priestern Amuns Besorgnis erregt.»
    «Aber geschah es nicht immer wieder, dass einzelne Gottheiten unter diesem oder jenem Herrscher besondere Verehrung erfuhren, ohne dass deswegen die Größe anderer Götter in Frage gestellt wurde?»
    «Ich gebe dir Recht, Eje. Doch ich kann dir an vielen Beispielen zeigen, dass gerade die Verehrung des Sonnengottes Re in all seinen Erscheinungsformen immer mehr an Bedeutung erlangte. Die Priester Amuns fürchten eine schleichende Entwicklung, die irgendwann dazu führen könnte, dass Amun indie Bedeutungslosigkeit eines Stadtgottes zurückfällt und die Priester damit ihren gewaltigen Einfluss auf die Herrscher der Beiden Länder verlieren.»
    Ich erzählte Anen von meinen bisherigen Erlebnissen mit der Priesterschaft Amuns. Von jener Bemerkung im Thronsaal, als Nimuria sie aufforderte, sich an den Kosten für die Erweiterung der Tempel

Weitere Kostenlose Bücher