Im Land des Falkengottes. Amenophis
mächtigsten Herrschers der Welt, der gerade ein Jahr älter war als ich, inmitten der schönsten und kostbarsten Möbelstücke, die man sich vorstellen kann, mit einem eigenen Schreiber, einem Leibwächter und zwei Dienerinnen.
Ich setzte mich in eine Fensternische meines Arbeitszimmers, zog wie immer die Beine an, umklammerte mit den Händen meine Knie, legte den Kopf darauf und sah in den Garten.
Alles war vollkommen: die Anordnung der Bäume und Sträucher, dazwischen die vielen Teiche und Brunnen, die geschickt angelegten Wege, die sich hindurchschlängelten, und dann die vielen Tiere! Flamingos und Kraniche, in den Bäumen Meerkatzen und Tausende Vögel, dazu Schildkröten und verschiedene Arten von Wildantilopen. In einiger Entfernung wurde ein kleiner Tempel zu Ehren des Amun errichtet. Die Mauern waren bereits bis auf eine Höhe von etwa fünfzehn Ellen hochgezogen und von einem Gerüst umschlossen. Die Arbeiter schickten sich gerade an, die Balken für das Dach nach oben zu ziehen, während Meri, der Baumeister des Tempels, mit Amenis Geschwistern, der Prinzessin Amenipet und Prinz Amenemhet, daneben stand. Zum Schutz vor der Sonne hielt sich Meri die linke Hand an die Stirn, mit der anderen zeigte er nach oben, offenbar um den Kindern etwas zu erklären. Mich beschlich ein ungutes Gefühl, als Meri mit den Kindern unter dem Gerüst stand, und ich überlegte noch, ob ich sie nicht von dort wegrufen sollte. Ich hörte, wie sich einige Arbeiter gegenseitig beschimpften, dem folgte ein fürchterlicher Schrei des Entsetzens, dann ein kurzes Poltern. Den Arbeitern war einer der Balken ausgekommen, mit lautem Donnern stürzte er nun auf das Gerüst, das sich löste, und zusammen mit sechs Arbeitern krachend einstürzte, und die Geschwister des Königs sowie Meri unter sich begrub.
Ich hatte noch versucht, einen lauten Schrei auszustoßen, um die drei zu warnen, aber es ging alles viel zu schnell, und meine Kehle war wie zugeschnürt. Fassungslos starrte ich auf den Unglücksort, der von einer Staubwolke eingehüllt war, die sich nur langsam legte. Einige Arbeiter, die ganz unversehrt geblieben oder nur leicht verletzt waren, stürzten sich auf die umherliegenden Balken und Bretter des eingebrochenen Gerüstes, zerrten, trugen oder warfen Stück für Stück beiseite und versuchten so, die Verschütteten zu bergen. Dazwischenhörte ich die Schreie und das Wimmern der Verletzten. Direkt unter meinem Fenster liefen Amenophis, Ptahmose und mein Vater in Begleitung einiger Soldaten aus dem Palast zur Unglücksstelle.
In blinder Wut stieß Ameni einen der Arbeiter, der ihm wohl zu zaghaft erschien, beiseite, brüllte zwei weitere an, sie sollten mit zupacken, und trug gemeinsam mit ihnen den Trümmerhaufen in kurzer Zeit ab, bis Ameni völlig verdreckt, mit zerkratzten Beinen und blutenden Armen vor den leblosen Körpern seiner beiden Geschwister und dem des Baumeisters Meri kniete.
Ich war inzwischen ebenfalls eingetroffen und sah Ameni, wie er zwischen Amenemhet und Amenipet kniete, sich die Hände vor das Gesicht hielt und weinte. Niemand wagte es, auch nur einen Ton zu sagen, denn jeder der Anwesenden spürte, dass es angesichts der schrecklichen Situation nichts zu sagen gab.
Während sich nahezu von allen unbemerkt mein Vater darum kümmerte, dass die Verletzten von den Soldaten in den Palast gebracht wurden, erschien Königin Mutemwia, begleitet von drei Hofdamen, an der Unglücksstelle. Als sie sah, was geschehen war, kniete sie neben Amenophis nieder, umfasste ihn mit beiden Armen und weinte mit ihm, während sie auf die leblosen Körper starrte.
Nach einigen Minuten sagte sie leise: «Komm, Amenophis, hier kannst du nichts mehr tun. Du musst zu einem Arzt, du bist verletzt!»
«Nein. Lass mich!» Ameni reagierte fast jähzornig. Er stand auf, blickte mit regungslosem Gesicht in die Runde und fragte: «Für welchen Gott sollte dieser Tempel errichtet werden?»
Niemand wagte es, eine Antwort zu geben.
«Sagt es mir nun endlich jemand?» Amenophis wurde sichtlich böse.
«Er sollte Amun geweiht werden, mein Herrscher», gab Ptahmose mit gesenktem Kopf die Antwort.
«Amun –», wiederholte Amenophis wie hypnotisiert, «Amun! Reißt diesen Tempel nieder, tragt ihn ab bis auf den letzten Stein, jetzt, fangt an, sofort!», schrie er nun alle Anwesenden an.
«Bringt sie in den Palast», sagte er zu den Soldaten und den Dienern, die zwischenzeitlich herbeigeeilt waren, und zeigte auf die Toten.
«Wenn
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