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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Amenophis. Das hat bekanntlich Vorrang», beruhigte er mich.
    «Sag, was muss hier noch alles passieren? Ist es nicht schrecklich?»
    «Mein Sohn, jeden Tag und zu jeder Stunde passieren schrecklicheDinge – irgendwo. Wir Menschen haben nur wenig oder gar keinen Einfluss darauf, wo und wann diese Dinge geschehen. Das wissen nur die Götter. Manche Menschen bleiben ein Leben lang davon verschont. Sie haben dann Glück. Manche trifft es früher, manche häufiger oder in recht kurzen Abständen. Amenophis haben in kurzer Zeit zwei Schicksalsschläge ereilt, mit welchen er erst fertig werden muss. Dazu braucht er viel Kraft und einen guten Freund.»
    «Sei mir nicht böse, aber daran hättest du mich nicht erinnern müssen! Ich weiß, welches Versprechen ich ihm gab. Oder ist jemand unzufrieden mit mir?»
    «Nein, nein. Ganz und gar nicht, im Gegenteil. Deine Mutter und ich sehen mit großer Zufriedenheit, wie gut du dich mit Seiner Majestät verstehst. Wie sehr er dich schätzt, beweisen diese Räume und ihre Ausstattung wohl genügend. Nein, es ist etwas anderes, was ich dir sagen will. Jetzt, wo auch die Geschwister des Königs tot sind, bist du der einzige Gleichaltrige, den er um sich hat und dem er blind vertraut. Du warst zwar schon vorher an die Stelle eines Bruders getreten, aber er wird dich jetzt noch mehr brauchen. Ich bitte dich deshalb, dass du vorerst hier im Palast bei Amenophis wohnst. Deine Mutter und ich sind ohnehin jeden Tag hier, sodass es dir nicht zu schwer fallen wird.»
    Natürlich konnte ich meinem Vater diesen Wunsch nicht abschlagen. Im Übrigen war mein jetziges Leben im Palast so aufregend, dass man mich nicht zu bitten brauchte, hier zu bleiben. Ich stimmte deswegen ebenso pflichtbewusst wie begeistert zu. Ich wusste, dass mich meine Eltern nicht nur aus Sorge um den jungen Herrscher, sondern auch um meiner Zukunft willen enger an Amenophis binden wollten.
    Nachdem mich mein Vater herzlich umarmt hatte, ließ er mich alleine zurück. Die Stoppeln seines Trauerbartes kratzten fürchterlich.
    Die Ereignisse dieses Tages hatten mich derart aufgewühlt, dass ich unmöglich schlafen konnte. Da entsann ich mich der Worte des Prinzen, wonach ständig eine der beiden Dienerinnen um mich zu sein hatte. Erst war ich etwas gehemmt, aber nach kurzem Zögern klatschte ich zweimal in die Hände. Es vergingen nur wenige Augenblicke, da stand Nefta, die ältere der Dienerinnen, im Raum.
    «Ihr habt mich gerufen, Herr», sagte sie lächelnd, nachdem sie sich verneigt hatte.
    «Ja, Nefta, ich habe schrecklichen Durst. Bringe mir bitte einen Krug Wasser und einen Becher Wein! Und ein paar Oliven und etwas Brot», rief ich ihr nach, als sie bereits im Gehen begriffen war.
    Die Nacht war sehr hell, denn es war Vollmond. Zum Greifen nahe stieg die goldgelbe Scheibe über den Wipfeln der Palmen auf, und die Fledermäuse in ihrem unruhigen Flug waren gut zu erkennen.
    Die Hitze des Tages lag noch schwer über dem Garten, und es war mir, als presste sie die verschiedensten Düfte aus Sykomoren, Palmen und den vielen Sträuchern, um alle, die hier verweilten, zu berauschen. In einiger Entfernung hörte ich die Stimmen der Arbeiter, die so leise wie nur irgend möglich die Reste des Unglückstempels abtrugen und wegschafften, wie es ihnen Amenophis befohlen hatte.
    Der Wein, den mir Nefta brachte, schmeckte köstlich, doch zuerst trank ich einen kräftigen Schluck Wasser und aß ein paar Oliven, damit mir der Wein nicht zu schnell in den Kopf stieg.
    Es dauerte nicht mehr lange, und die Arbeiter hatten ihr Werk beendet. Es legte sich zunächst völlige Stille über den Garten, bis sich als erste die Grillen wieder bemerkbar machten, indem sie unaufhörlich ihr eintöniges Lied schnarrten. Etwas später vernahm ich ein leises, langsames Scharren imSand, und ich brauchte eine Weile, bis ich dieses Geräusch einer ganz in der Nähe kriechenden Schildkröte zuordnen konnte. Zwischen den Sykomoren und Palmen führten Tausende Glühwürmchen ihren unruhigen, lustigen Tanz auf, und erst leise, dann immer lauter werdend begann eine Nachtigall ihr Lied, so kunstvoll, so rein, dass ich mir wünschte, ewig hier zu verharren, wo alle Sinne auf das Wunderbarste berührt wurden.
    «Es ist ein bezauberndes Erlebnis, nicht wahr?»
    Es war Ameni, der unbemerkt eingetreten war und neben mir stand.
    «Ja. Du hast recht, Ameni. Aber ich glaube, wir nehmen uns viel zu selten die Zeit, solche Schauspiele wirklich zu genießen. Wir

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