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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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einen Bogen und verschoss vier Pfeile in alle Himmelsrichtungen, womit er zeigte, dass er nun die Herrschaft über die Welt ergriffen hatte.
    Pharao verließ erneut den Turm und betrat die Mitte des großen Hofes. Dort war ein zwölf Ellen hoher, hölzerner Djetpfeiler vorbereitet, der schräg in einer Grube ruhte. An seinem oberen Ende war ein langes Seil festgebunden. Amenophis ergriff dessen Ende und zog mit aller Kraft, bis der Pfeiler endgültig in die Grube rutschte und gerade zum Stehen kam. Der Wesir Ptahmose, mein Vater und Ramose schaufelten gemeinsam die Grube zu, sodass der Pfeiler fest stand. Damit war auch der uralte Ritus, mit dem Pharao Reichtum und Fruchtbarkeit beschwor, vollzogen. Anschließend wurde Amenophis wieder vollständig angekleidet und auf das obere Ende der großen Treppe geführt, wo unter einem Baldachin der Thronsessel aus Elektron stand. Auf ihm nahm Pharao Platz. Hinter ihm standen seine Mutter, die Große königliche Gemahlin Mutemwia, daneben die vier Wedelträger Seiner Majestät mit Fächern aus Straußenfedern, um dem Herrscher und seiner Mutter etwas Kühlung zu verschaffen. Zwei Stufen unterhalb befand sich Ramose mit einem aufgerollten Papyrus und leitete mit kräftiger Stimme die weitere Zeremonie ein. Wie bereits vor Wochen in Men-nefer, so wurde auch hier in Waset bestätigt, dass Mutemwia Große königliche Gemahlin, Ptahmose der Wesir Beider Länder und ich Einziger Freund des Königs sei. Ptahmose und ich mussten uns vor dem König ausgestreckt niederlegen, während Ramose die Weiheformeln sprach. Danach erhielt Ptahmose ausden Händen seines Herrschers den Siegelring und das Zepter des Wesirs, mir überreichte Amenophis ebenfalls einen Siegelring und ein goldenes Pektorale in Form des vollkommenen Horus-Auges. Sodann nahmen Ptahmose und ich neben dem Thron Aufstellung. Erneut begann Ramose für seinen Pharao die Stimme zu erheben:
    «Höre, Volk der Beiden Länder, vernimm die Botschaft deines Herrschers: Die Worte, die Ptahmose, der Wesir Seiner Majestät, spricht, sind Worte Seiner Majestät. Befehle, die Ptahmose, der Wesir Seiner Majestät, erteilt, sind Befehle Seiner Majestät.
    Auch die Worte Ejes, des Einzigen Freundes Seiner Majestät, sind Worte Seiner Majestät, und seine Befehle sind Befehle Pharaos. Wer ihnen zuwiderhandelt, handelt Seiner Majestät, sie lebe, sei heil und gesund, zuwider.»
    Alle Anwesenden, die unterhalb der großen Treppe standen, warfen sich auf die Knie und verneigten sich, bis sie von Ramose die Erlaubnis erhielten, sich wieder zu erheben.
    Danach begann der gewaltige und farbenprächtige Aufmarsch der Vertreter aus den Fremdländern, die befreundet oder Ägypten untertan waren. In Gruppen von vier bis sechs Personen warfen sie sich vor dem Thron nieder, gelobten für ihren Herrscher Freundschaft und Beistand, während sich hinter ihnen die Menge teilte und von Dienern die Gastgeschenke herbeigeschafft wurden. Die Nubier, angeführt vom Vizekönig Merimes, brachten gezähmte Leoparden und Panther, unzählige Vögel in allen nur vorstellbaren Farben, Affen jeder Art und Größe, dazu eine nicht zählbare Menge der prächtigsten Elefantenstoßzähne, und schließlich das Wichtigste: Gold, das Fleisch der Götter. In offenen Körben brachten sie es in faustgroßen Klumpen, als gegossene Ringe oder in Form kleiner Ziegelsteine. Mehr als zweihundert Körbe wurden an Pharao vorbei direkt in die danebenliegende Hallegetragen. Es war nicht zu übersehen, dass sich Nimurias Gesichtszüge mit jedem Korb, mit jedem Stück Elfenbein erhellten. Zuletzt erschienen vier junge Nubierinnen, und jede hielt eine goldene Schale, deren Öffnung mit einem Tuch bedeckt war, in ihren Händen. Zum immer wilder werdenden Klang von Holztrommeln tanzten sie sich in ekstatischen Bewegungen bis zum Thron vor. Schließlich knieten sie vor Amenophis nieder und hielten ihm mit gesenktem Haupt die Goldschalen entgegen. Die nubischen Vertreter kamen hinzu und zogen die Tücher weg: Die Schalen waren bis zum Rand mit den kostbarsten Edelsteinen gefüllt, die es gab. Nie in meinem Leben, weder vorher noch später, sah ich solch einen Schatz. Selbst Amenophis hielt es nicht mehr auf seinem Thron. Er erhob sich, übergab Geißel und Krummstab an Ramose, ging vier Stufen hinab und griff mit der rechten Hand tief in eine der Schalen, als wollte er nicht glauben, dass diese in ganzer Höhe mit Edelsteinen angefüllt war.
    Da es ungewöhnlich war, wenn ein Herrscher selbst

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