Im Land des Falkengottes. Amenophis
Würde als Herrscher verlangte, dass er nach außen nicht die geringste Gefühlsregung zeigte. Die nubischen Träger bewegten sich so vorsichtig vorwärts, dass die Sänfte gleichmäßig und ohne zu schwanken durch den Saal schwebte. Hinter Pharao gingen der Wesir Ptahmose und der Oberste Priester des Amun, Ramose. Dreißigweitere ägyptische Soldaten der Leibgarde bildeten den Schluss des Zuges. Endlich wurde die Sänfte zu Füßen des Thrones niedergestellt, und Ameni erhob sich. Die Musiker stellten ihr Spiel ein, und während Ptahmose mit der vollen Titulatur die Anwesenheit Pharaos verkündete, warfen sich alle Anwesenden vor dem Herrscher der Beiden Länder nieder.
Das Fest begann wieder mit einem ausgedehnten Mahl, das sich, begleitet von Tanz und Musik, bis in die Nachtstunden hinzog. Es dauerte nicht lange, da bat Ameni meine Schwester wieder zu sich, und in kürzester Zeit waren sie in innige Gespräche versunken und turtelten für jedermann sichtbar wie die Täubchen. Spätestens seit diesem Abend hatte niemand im Palast Anlass, an einer baldigen Heirat Seiner Majestät zu zweifeln. Je offensichtlicher die Zuneigung Amenis zu Teje wurde, desto mehr Aufmerksamkeit und Ehrerbietung brachten die Vornehmen des Landes meinen Eltern entgegen, ja deren Einfluss wuchs mit jeder noch so kleinen Zärtlichkeit Pharaos.
Es war bereits spät in der Nacht, als Ameni seine Augen zufrieden über die Gäste schweifen ließ und sich unsere Blicke für einen kurzen Moment kreuzten. Ich machte mit dem Kopf eine knappe Bewegung in Richtung Ausgang, Ameni verstand und nickte mir unauffällig mit einem ahnungsvollen Schmunzeln auf den Lippen zu. Ich bekam einen roten Kopf, was ihn wiederum veranlasste, seinen Becher zu nehmen und mir zuzuprosten. Ich erwiderte die brüderliche Geste, trank einen besonders kräftigen Schluck und verschwand. Ich nahm mir bewusst viel Zeit, um mich meinem Ziel zu nähern.
Es bereitete mir zum ersten Mal außerordentliches Vergnügen, die auffälligen Freundlichkeiten, mögen sie echt oder gespielt gewesen sein, vieler Gäste entgegenzunehmen. In ganz Waset wusste seit dem gestrigen Abend jeder, dass ich neben den Großen königlichen Gemahlinnen Mutemwia und Iaret die Person war, die dem Herrscher am nächsten stand. Ich warmir sicher, dass ich einige der hohen Beamten, Priester und Verwalter wiedersehen würde und dass sie mir dann vielleicht nicht mehr gewogen wären, spätestens, wenn es um Steuern oder ähnlich unerfreuliche Dinge ginge. Das wussten die meisten von ihnen auch, und deswegen waren sie ja vielleicht auch so freundlich. Einige von ihnen stellten mir auch gleich ihre Töchter vor, und ich muss zugeben, dass ich mehr als einmal überlegte, ob ich den Rest des Abends nicht doch besser im Festsaal verbringen sollte. Nein, heute Abend wollte ich mir meiner Sache sicher sein und die Nacht wieder mit Inena verbringen.
Ich gelangte in einen der äußeren Höfe, in welchem ich sie vermutet hatte. Der Gesang der Gäste, lautes Rufen und Gelächter übertönten den Klang der Musik, als ich den Hof betrat. Nur einige wenige umringten den blinden Harfner und seine Schwester. Wie auf ein geheimes Zeichen hin brachen alle ihr Gespräch ab, hörten auf zu lachen und zu singen, und es starrten mich Hunderte Augenpaare an, während das Harfenspiel weiter erklang und Inena tanzte. Erst war ich völlig verunsichert, dann wurde mir klar, dass auch die einfachen Beamten, die in diesem Hof feierten, wussten, wer ich war.
Mitten in diese unheimliche Stille hinein rief eine laute Männerstimme: «Hoch lebe Eje, der Einzige Freund Seiner Majestät!», und nach einem kurzen Moment stimmten alle ein und riefen «Hoch, hoch!» Es war mein Schreiber Cheruef, der für mich die Situation rettete. Cheruef kam in Begleitung einer jungen Frau zu mir, verneigte sich tief und sagte: «Mein Herr, darf ich Euch meine kleine Freundin Isisnofret vorstellen?»
Unter den neugierigen Blicken der wieder schweigenden Anwesenden sagte ich: «Oh, du bist Isisnofret! Cheruef hat mir schon von dir erzählt. Du bist weitaus schöner, als er dich beschrieben hat!» Ich hatte gelogen, denn bisher hatte mein Schreiber das Mädchen mit noch keinem Wort erwähnt, undich hoffte nur, dass er es nicht erst an diesem Abend kennen gelernt hatte. Dies war nicht der Fall, denn das Mädchen gab die Freundlichkeit höflich zurück, indem sie meinte, ihr Freund habe mich schon oft als einen guten Herrn gepriesen. Die Menge hatte jetzt ein
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