Im Land des Falkengottes. Amenophis
nach dem kleinen Mittagsmahl an, wo wir uns meist gemeinsam im Garten in einem der Schattenhäuschen oder im Wasserbecken aufhielten.
Nach der Besprechung ging ich in meine Arbeitszimmer zurück, die mir erst wenige Tage vorher als zusätzliche Räume eingerichtet worden waren. In einem Raum, dessen Fenster nach Norden in den Garten zeigten, war es angenehm kühl, und dort richtete ich mir mein persönliches Schreibzimmerein. Direkt daneben lag ein größerer Saal, der mir als Besprechungsraum und Bibliothek diente und in dessen Mitte ein etwa sechzehn Ellen langer Tisch stand. Er war bestens dafür geeignet, große Karten oder Pläne auszubreiten. Von meinem kleinen «Audienzsaal», wie Ameni diesen Raum zu nennen pflegte, schlugen Bauarbeiter eine kleine unauffällige Türe direkt zu meinem bisherigen Wohnraum, der übereck lag, und dessen Fenster nach Osten zeigten. So war ich nun bestens eingerichtet.
Als ich in meine Arbeitsräume zurückgekehrt war, erwartete mich dort der Grabenmeister von Waset, nach dem ich am Morgen verlangt hatte. Ich war etwas verwundert, zumal ich angesichts der bevorstehenden Überschwemmungszeit davon ausgegangen war, dass er zu denjenigen Bewohnern Oberägyptens zählte, die am meisten beschäftigt und deswegen am schwierigsten zu erreichen waren.
Als ich den Raum betrat, verneigte er sich tief und ehrfurchtsvoll.
«Mein gnädiger Herr, Ihr habt mich rufen lassen. Euer Diener Intef steht ergebenst zu Diensten!»
Das pockennarbige Gesicht eines kleinen, feisten Widerlings grinste mich an. Eine dicke Goldkette hing um seinen massigen Hals, und an fast jedem Finger seiner aufgequollenen Hände steckte ein Ring. Selten zuvor war mir ein Mensch auf Anhieb so unangenehm und wirkte so abstoßend auf mich wie dieser Intef. Ich hätte Ameni gerne darum gebeten, ihn sofort austauschen zu dürfen. Ich zwang mich, nicht voreilig ungerecht zu sein. Obwohl das Gespräch nicht sehr lange dauerte, erfuhr ich, dass Intef zu den besten Freunden des Bürgermeisters Neferhotep zählte, einen ebenso großen Palast bewohnte und vor etwa zehn Jahren zum letzten Mal einen Bewässerungsgraben mit eigenen Augen gesehen hatte. Dabei zeigte der Mann auch nicht den Hauch eines schlechten Gewissens,sondern glaubte offenbar, er konnte mich mit seinen prahlerischen Geschichten beeindrucken.
Ich war außer mir vor Wut. Ich befragte ihn noch ausgiebig über seine Untergebenen und ließ von einem Schreiber alle Namen sorgfältig festhalten. Zuletzt log ich Intef vor, dass ich mich auf unsere Zusammenarbeit sehr freuen würde, und dankte Ptah und Hathor, als er mein Zimmer endlich wieder verlassen hatte. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, welche Menschen der Landvermesser und der Verwalter der Kornspeicher waren! Beide bekam ich an diesem Tag nicht mehr zu sehen, was ich nur bei Ersterem für ein gutes Zeichen hielt. Am späten Vormittag, als es gerade begann, unangenehm heiß zu werden, brachte Cheruef die ersten Pläne der Steinbrüche Oberägyptens und Nubiens. Ich wusch mich und ging nachdenklich in den Garten. In einem der Schattenhäuser saßen die Große königliche Gemahlin Mutemwia mit Mutter und Teje, umgeben von ihren Hofdamen und Dienerinnen, in einem anderen mein Vater mit Ptahmose und ihren Schreibern. Sie schienen sehr beschäftigt zu sein. Amenophis zog derweil im Wasserbecken seine Bahnen. Dies schien mir eine günstige Gelegenheit. Ehe mich mein Vater gewahr wurde, war ich entkleidet und sprang ebenfalls ins Becken. Wie so oft forderte mich Ameni zu einem kleinen Wettkampf auf, und wie so oft gewann er mit einigen Ellen Vorsprung. Seiner Kraft hatte ich einfach nichts entgegenzusetzen. Unser kurzes Kräftemessen endete an dem Ende des Beckens, welches den Schattenhäusern gegenüberlag.
«Worüber redet Teje gerade?», fragte mich Ameni tief atmend.
Ich konzentrierte mich kurz und schnaubte zurück: «Über dich natürlich, und dass es merkwürdig sei, wie zwei fast gleichaltrige Männer so unterschiedliche Körper haben können.»
«Sagte sie wirklich Männer?»
«Ja, sagte sie», bestätigte ich ihm und sah an seinem zufriedenen Blick, dass er mächtig stolz war.
«Ich muss mit dir über ein paar Dinge reden, Ameni, alleine.»
«Ich höre.»
«Heute, am späten Abend, während wir auf der Terrasse sitzen, wird mein Diener erscheinen und mir melden, dass mein Bad vorbereitet ist. Das ist für uns beide das Zeichen zum Aufbruch, denn du wirst ebenfalls eine plötzliche Müdigkeit
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