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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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sehr müde sein. Wie Recht er hatte. Aber Amenophis entgegnete: «Geht unbesorgt zu Bett. Wir bleiben noch ein wenig sitzen.» Dies kam sowohl meinem Vater und den Dienern als auch mir einem Befehl gleich, und ich wusste, dass der Abend noch etwas länger dauern würde.
    Wie schon so oft, saßen wir jetzt ganz alleine auf der Terrasse, und wie immer, wenn wir unter uns waren, nahm Amenophis jetzt sein Kopftuch und die Perücke ab, legte beides zur Seite und fuhr mit den Fingern seiner rechten Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. Ameni goss sich Wein nach, nahm gleich vier oder fünf Datteln in die Hand und lehntesich mit Blick auf den Fluss und die dahinter liegenden Berge zurück. Ich war gespannt, was mich jetzt erwartete.
    «Ich weiß nicht so recht, ob ich mit dir darüber reden soll, aber außer dir habe ich niemanden, mit dem ich überhaupt über solche Dinge sprechen kann», begann er zurückhaltend, ja zögerlich.
    «Was meinst du?», fragte ich völlig ahnungslos.
    «Ich verfüge nicht über den Vorzug gewisser Erfahrungen, die du in den letzten Tagen oder besser: Nächten gemacht hast. Ich bin mir nicht sicher, ob ich – na ja, du bist mein künftiger Schwager   –, ob ich versuchen soll, vor meiner Hochzeit ebenfalls noch Erfahrungen zu machen, oder ob das wegen deiner Schwester eher unschicklich wäre.»
    Er nahm einen auffallend großen Schluck aus seinem Becher, und deutlich spürte ich seine Erleichterung, das Problem endlich losgeworden zu sein. Bei mir stellte ich einen gewissen Stolz fest, wenigstens in diesem Punkt als der Erfahrenere von uns beiden zu gelten.
    «Ameni, ich weiß gar nicht, was deine Sorge ist. Du liebst einen Menschen. Dann liebe ihn so, wie er ist und liebe ihn so, wie du bist. Das ergibt sich doch alles ganz von selbst!»
    «Wie alt ist Inena eigentlich?», setzte er nach.
    «Sie sagte neunzehn. Aber welche Rolle sollte das spielen?»
    «Und du warst sicherlich nicht der erste Mann, den sie liebte, oder?»
    «Sicher nicht», entgegnete ich. Ameni geriet etwas ins Stocken.
    «Ich, ich bin mir einfach sicher, dass es für dich in deiner Unerfahrenheit ein großer Vorteil war, die erste Nacht mit einer Frau verbracht zu haben, die selbst schon Erfahrung hatte und einfach wusste, was sie wollte und was sie zu tun hatte – das meine ich. Und dass du wahrscheinlich nur halb so viel Freude gehabt hättest, wenn da ein ängstliches, unbescholtenes Mädchen gelegen hätte, oder?»
    Er hatte wohl Recht.
    «Und wenn da ein unerfahrener Ameni – ganz gleich ob er Pharao ist oder nicht – und ein ängstliches Mädchen zusammenkommen, dann kann die Enttäuschung vielleicht groß sein», brachte er seine Überlegungen zu Ende.
    «Wahrscheinlich hatte ich einfach nur Glück, Ameni. Denn wenn du Recht hättest, müsste das bedeuten, dass jeder junge Mann erst einmal mit einer älteren Frau schlafen müsste, um anschließend mit einer jüngeren glücklich werden zu können.»
    «Wenn du so willst: Ja. Das genau ist meine Vermutung.»
    Ich zögerte einen Augenblick und sagte dann entrüstet: «Du erwartest jetzt aber nicht von mir, dass ich Inena darum bitte, dich um gewisse Erfahrungen reicher zu machen, oder?»
    «Dummkopf!», schnaubte er, und im gleichen Moment warf er mir eine Dattel an den Kopf.
    «Du weißt genau, dass ich das nicht täte – weder offiziell noch heimlich.»
    Mir tat meine Bemerkung schrecklich leid, denn im Grunde hatte ich nicht nur Ameni, sondern auch Inena beleidigt.
    Ich atmete tief durch und seufzte dann: «Ich werde also Seiner Majestät nicht nur säumige Steuerschuldner vorführen und neue Steinbrüche erschließen, sondern   … gut, gut. Ich sehe mich um. Aber bitte verrate mir, wie dann die von mir Auserwählte zu dir kommt?»
    Ameni schwieg erst, dann platzte aus ihm die Antwort heraus: «Wir tauschen! Ja, wir tauschen. Du bewohnst dann eben meine Gemächer, und ich werde mich hier bei dir aufhalten.»
    Er fand sichtlich Spaß an diesem Gedanken. Mir war gar nicht wohl in meiner Haut.
    Wir standen auf, Ameni umarmte mich mit einem zufriedenen Lächeln, klopfte mir mit der Rechten auf die Schulter und flüsterte in mein Ohr: «Ich wusste, dass auf dich Verlass ist. Ich wusste es!»
    «Warte ab, Nimuria! Wer weiß, wen ich dir bringe.»
    Im Bett liegend musste ich noch lange an unser Gespräch denken. Im Grunde war es eine Zumutung, was er mir, seinem künftigen Schwager, da abverlangte, sogar eine bodenlose Unverschämtheit. Hatte er nicht ein wenig

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