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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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sagten. Wir beide wussten, dass diese Blicke eine innigere Bestätigung unserer Freundschaft bedeuteten, als tausend Worte. Amenophis ging zwei Schritte auf mich zu, umarmte mich kurz, und sagte dann an alle gewandt:
    «Die elenden Missetäter sind überführt und gerichtet. Maat ist wiederhergestellt. Lasst uns deswegen wieder froher Stimmung sein! Es ist spät, das Mahl ist angerichtet. Seid alle meine Gäste! In einer Stunde sehen wir uns im kleinen Festsaal.»
    Die meisten von uns waren überrascht, hatten wir doch keine Ahnung von einem bevorstehenden Festmahl. Tahuti, Nebamun und Turi wurden von Dienern in Gasträume des Palastes gebracht, wo sie sich reinigen konnten und frisch eingekleidet wurden. Wir anderen zogen uns in unsere Gemächer zurück.
     
    Der kleine Festsaal des Palastes war nur vierzig Ellen lang und halb so breit. Eine seiner Längsseiten führte auf eine der schönsten Terrassen des Palastgartens. Sie war in ihrer ganzen Höhe geöffnet und in ihrer Breite nur durch drei schlanke Säulen unterbrochen. Überall im Saal standen Vasen mit prächtigen Blumensträußen, Räuchergefässe und mächtige Kerzenleuchter, und an langen goldenen Ketten hingen Öllampen von der Decke. Etwas mehr als die Hälfte des Raumes war von Sesseln, Liegen und Tischen belegt, der Rest war für die Musikanten reserviert. Wir Gäste hatten bereits Platz genommen, als Ameni mit seiner Mutter, der Großen königlichen Gemahlin Mutemwia, und meiner Schwester Teje unangekündigt den Saal betrat. Erschrocken und überrascht sprangen alle auf und verneigten sich tief. Im Laufe der Jahre stellte ich fest, dass Amenophis zunehmend Gefallen daran fand, unangekündigt zu erscheinen. Die Verwirrung seiner Gäste schien ihm ein gewisses Vergnügen zu bereiten.
    Der Abend begann mit einem ausgedehnten Mahl mit nahezu allem, was die Palastküche bieten konnte. Dazu ließ Pharao die besten Weine servieren, und es wurde unentwegt musiziert und getanzt. Immer wieder prostete mir Ameni zu und schmunzelte dabei so vielsagend, dass ich ständig überlegte, was er sich wohl für mich hatte einfallen lassen. Zuletztwar ich mir sicher, dass er Inena hatte ausfindig machen lassen und sie mir stolz präsentieren würde. Inena! Da war er wieder, der Gedanke an sie, und ich musste feststellen, dass meine Erinnerung an sie, an ihr Äußeres, ihr Gesicht, langsam zu verblassen begann. Stück für Stück suchte ich in meinem Gedächtnis nach einzelnen Merkmalen wie die Farbe ihres Haares, ihre Nase, ihren Mund, bis sich dann plötzlich vor meinen Augen ein Gesamtbild zusammenfügte und die Erinnerung an sie vollkommen gegenwärtig war. Ich wusste, dass meine Vorstellung an ihr Äußeres irgendwann verblasst, ja ganz erloschen sein würde. An meine Stunden mit ihr erinnere ich mich bis zum heutigen Tage.
    Das Fest war wild und ausgelassen, und alle, selbst mein Vater, tranken viel Wein.
    Amenophis bestand darauf, dass wir uns am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang im Vorhof des Großen Saales trafen. Ich sollte nur in Begleitung Senus erscheinen und einfach gekleidet sein.
    Es erstaunte mich immer wieder, wie frisch und aufgeweckt Amenophis früh am Morgen war, selbst wenn am Abend vorher viel getrunken wurde. Umso elender war mir oft zumute.
     
    Im Hof vor dem Festsaal standen sechs Streitwagengespanne mit jeweils zwei Pferden. Ein Gespann war der Prunkwagen Pharaos, vier weitere waren mit je zwei Soldaten der Leibgarde besetzt, ein letztes war frei und für mich und Senu vorgesehen. Amenophis stand zwischen seinen Pferden, streichelte sie und sprach mit ihnen. Er trug nur das Nemes-Kopftuch, ein paar Armringe und hielt eine Reitpeitsche in der Linken. Es war mir sehr unangenehm, dass ich der Letzte in der Runde war, und deswegen liefen Senu und ich die letzten Meter. Kaum hatte mich Amenophis wahrgenommen, sprang er mit seinem Leibwächter auf den Prunkwagen, nahm selber dieZügel in die Hand und rief mir zu: «Du solltest lieber Senu fahren lassen, Eje! Nicht, dass du mir aus dem Wagen fällst!»
    Nach vorne gewandt schrie er: «Öffnet die Tore!»
    Im gleichen Augenblick knallte er mit seiner Peitsche, und alle sechs Streitwagen donnerten los. Angestachelt durch die Bemerkung meines Freundes nahm ich die Zügel selbstverständlich selbst in die Hand und sagte nur zu meinem ängstlich dreinblickenden Senu: «Jetzt halte dich fest!»
    Es begann eine aufregende Hetzjagd, erst durch die Höfe des Palastes, schließlich durch die Straßen,

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