Im Land des Falkengottes. Amenophis
Lehren des großen Weisen und als göttlich verehrten Ptahhotep?»
«Du hast uns im Unterricht viel daraus vorgelesen. Ja, ich kenne sie.»
«Er hat geschrieben: Wenn du ein Mann in leitender Stellung bist, der die Lebensverhältnisse für Viele zu regeln hat, dann bemühe dich jeweils um gewissenhafte Behandlung, sodass dein Verhalten ohne Tadel ist. Groß ist Maat, und dauernd ihre Wirkung. Sie ist nicht verwirrt worden seit der Zeit ihres Begründers Osiris. Man bestraft im Jenseits den, der ihre Gesetze übertritt, doch nach der Meinung des Habgierigen liegt das Jenseitsgericht in weiter Ferne. Gemeinheit rafft zwar Schätze zusammen, aber noch nie ist das Unrecht ans Ziel gelangt. Am Ende bleibt allein Maat. Das sind die Worte des weisen Ptahhotep. Pharao vertritt die göttliche Ordnung, er ist verantwortlich dafür, dass Maat regiert, dass sie da ist. Pharao hat durch seinen Wesir das Urteil gesprochen und hat es bestätigt. Würden wir an der Richtigkeit des Urteils auch nur den leisesten Zweifel aufkommen lassen, würde Maat erneutins Wanken geraten. Auch wenn wir viel über das Jenseitsgericht wissen, wo jeder gerichtet wird, auch der Sünder, der einem irdischen Urteilsspruch entkam, so muss Pharao mit allen Mitteln für Gerechtigkeit sorgen. Ohne Maat gibt es kein Leben.»
Ich war mir nicht ganz sicher, ob das alles so richtig war und seine Antwort meine Zweifel ausräumen konnte. Aber ich war erst einmal getröstet und nahm mir vor, mich damit nicht weiter zu beschäftigen und zu quälen.
Amenophis hielt es nicht lange auf seinem Sitzplatz am Bug des Schiffes aus, lieber zeigte er Teje seine prächtige Barke. An der Türe zum Deckshaus angelangt meinte er, das sei nichts für eine junge Dame, doch ich war mir nicht sicher, ob er damit nicht erst recht Tejes Neugierde wecken wollte. Sie tat aber nichts dergleichen, und es schien, als hätte sie die Bemerkung Amenis gar nicht wahrgenommen.
Es war in diesen Tagen ohnehin eine Freude, den beiden zuzusehen. Jeder von ihnen gab sich die größte Mühe, den anderen für sich einzunehmen, so, als wären sie sich noch nicht ganz sicher, ob die bisherigen Anstrengungen schon ausgereicht hätten. Unablässig beobachteten sie einander, registrierten jede Bewegung, jede Regung des Gesichts, fragten in den Augen des anderen nach dem Stand der Gefühle. Sie verschickten die unterschiedlichsten Botschaften. Ein knappes Lächeln, das von niemandem bemerkt werden sollte, eine unauffällige Berührung, die natürlich rein zufällig war, ein mutiger, aber kurzer Kuss auf die Wange. Wie waren die beiden verliebt! Manchmal überlegte ich, Vater vorzuschlagen, mit einem der Beiboote zu einem anderen Schiff überzusetzen, um das Paar alleine zu lassen. Aber daran war wegen unserer Mütter gar nicht zu denken. Was Vater und ich nicht sahen oder nicht sehen wollten, das hatten die Frauen längst bemerkt.
Abends, noch bevor die Dunkelheit hereinbrach, wurde Teje von sechs Soldaten der Leibgarde und von Vater auf ihr Schiff zurückgebracht. So hatte alles bis zum letzten Tag seine Ordnung.
Obwohl wir gut vorwärts kamen, dauerte es doch mehr als sieben Tage, ehe wir Achmim, die Heimatstadt meiner Eltern, erreichten. Von weitem sah ich die ersten Häuser, den Tempel des Min und schließlich die Hafenanlagen.
Was Meru, unser Flottenkommandant, bislang nur bei unserem Eintreffen in Waset vollzog, wiederholte er nun in Achmim: Die feierliche Landung der königlichen Flotte. Ausnahmslos alle Segel wurden gehisst, sämtliche Ruder gingen zu Wasser, und unter ohrenbetäubenden Paukenschlägen fuhr Schiff für Schiff in den Hafen der kleinen Stadt ein. Der Hafenbereich war nicht wiederzuerkennen. Die Häuser ringsherum waren neu gestrichen, und ihre weiße Farbe blendete uns im gleißenden Licht der Sonne. Überall standen Fahnenmasten, an deren Spitzen lange, schmale Fahnen hingen. Im ganzen Land hatten sie dieselben Farben: Rot, Grün und Weiß.
Mitten auf dem großen Platz, der sich dem Hafen anschloss, war das mächtige Kriegszelt Pharaos aufgebaut, und überall standen große Vasen mit prächtigen Blumensträußen. Im Übrigen war der Platz voll von Menschen, die den sich nähernden Schiffen fröhlich zuwinkten. Das königliche Schiff fuhr als eines der letzten in den Hafen ein. Amenophis stand mit Teje unter dem Baldachin am Heck seiner Barke. Er trug neben Geißel und Krummstab den Chepresch, einen breiten Schulterkragen und den schweren Prunkgürtel. Teje hatte ein
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