Im Land des Falkengottes. Amenophis
Auszeichnung des Guten Gottes verstehen konnten.
Das Haus meines Onkels Baki suchten wir diesmal nicht auf. Amenophis kehrte in seiner Sänfte in einem majestätischen Zug durch jubelnde Menschenmassen hindurch zum Hafen zurück.
An den folgenden Tagen kam unsere Flotte zügig voran. Tagsüber ließ Pharao jetzt regelmäßig nach dem morgendlichen Landgang einzelne hohe Beamte auf sein Schiff kommen, um mit ihnen die anstehenden Aufgaben zu beraten. Die Arbeit auf dem Schiff hatte den enormen Vorteil, dass man kaum gestört werden konnte. Ameni legte bei all diesen Gesprächen großen Wert auf Tejes Anwesenheit. Er hielt es für zwingend erforderlich, dass die künftige Große königliche Gemahlin in alle wichtigen Dinge des Landes eingeweiht wird und verwies dabei auf Königin Hatschepsut Maat-ka-Re, die lange Jahre für ihren minderjährigen Neffen Thutmosis Men-chepru-Re die Staatsgeschäfte geführt hatte. Allerdings wollte Ameni nie wahrhaben, dass die große Hatschepsut zeit ihres Lebens ihren Neffen ganz von der Herrschaft ausgeschlossen hatte und sich im siebten Jahr ihrer Regentschaft sogar zum König hatte ausrufen lassen, um alleine die Herrschaft auszuüben.
Je weiter nördlich wir kamen, desto flacher wurde das Land, desto breiter und behäbiger der Fluss. Die Besiedlung wurde langsam wieder dichter, immer mehr Menschen säumten unseren Weg und winkten uns zu. Dann erreichten wir die Gegend südlich von Men-nefer mit ihren vielen Gemüsefeldern und Obstgärten, und die alte Nekropole von Wenet-Snofru. Schon von weitem erkannte ich im Licht der langsam untergehenden Sonne die Pyramide mit den geknickten Außenwänden und die südlich gelegene Nebenpyramide. Dann, weiter nördlich, die Rote Pyramide mit ihren vielen Kultbauten. Beide errichtete Pharao Snofru, der Vater des großen Chufu. Als wir an der weißen Kalksteinpyramide von König Amenemhet und an der Ziegelpyramide von König Sesostris vorbeifuhren, sank die Sonne blutrot am Horizont hinab. Re begann seine Nachtfahrt.
Unsere Reise hatte fünfzehn Tage gedauert.
In dieser Nacht legte die königliche Flotte ausnahmsweise am Ufer an und fuhr nicht weiter, damit Nimuria genau zu Sonnenaufgang in den Hafen von Men-nefer einfahren konnte, gleichsam als die Erscheinung des auferstehenden Re.
Überall, auf jedem Schiff, spürte ich dieselbe Aufgeregtheit, da sich jeder von uns auf den nächsten Morgen freute und gespannt war, welche Pracht uns erwarten würde. So herrschte auch auf unserer Barke einige Unruhe. Teje wurde beizeiten verabschiedet, damit Ameni von seinen Leibdienern behandelt werden konnte.
Nach Entfernung der Körperbehaarung wurde Pharao mit duftenden Ölen behandelt und massiert, und schließlich mit Leinentüchern vorsichtig abgerieben. Nebenbei unterhielten wir uns darüber, wie eifrig wohl die Frauen und Mädchen über ihren Perücken sitzen würden, Strähne für Strähne nacharbeiteten und fehlende Perlen ersetzten, oder einfache gegen noch kostbarere austauschten. Einer der zwei Wedelträger warunentwegt damit beschäftigt, die Thronutensilien Pharaos zu sortieren, mit Öl einzureiben und zu polieren.
Amenophis hätte am liebsten wieder den blauen Chepresch gewählt, aber das Zeremoniell verlangte, dass er die rot-weiße Doppelkrone trug. Sie wurde in einem Kasten aus Zedernholz, der rundum mit Gold belegt und mit kostbarsten Edelsteinen besetzt war, aufbewahrt. Wenn man den Deckel des Kastens entfernte, ließ sich die Vorderwand nach unten wegklappen und die Krone, die auf einem Holzstumpf ruhte, herausnehmen. Ein Brustkragen nach dem anderen wurde Nimuria zur Auswahl vorgelegt, er hatte seine Mühe, sich endlich für einen zu entscheiden. Nicht anders erging es ihm beim Brustschmuck, den Armreifen und den Ringen, die Seine Majestät am folgenden Tag tragen sollte. Der Brustschmuck, das Pektorale, zeigte einen Falken. Seine Schwingen waren weit nach außen gespreizt, in den Krallen hielt er jeweils das in Gold gearbeitete Henkelkreuz, das Schriftzeichen für «Leben», und über dem Kopf des Falken schwebte die Sonnenscheibe aus hellrotem Glasfluss, umgeben von einem dünnen Goldrand.
Der schwere Brustkragen bestand aus einer Vielzahl von Goldblättchen mit rotem, blauem und türkisfarbenem Glasfluss, Reihe für Reihe in anderen Farben, dazwischen Zeilen von kleinen bunten Perlen in unterschiedlichen Formen. Die Mitte bildete eine goldene Barke, welche die Sonnenscheibe trug. Wenn Pharao den Kragen anlegte, ruhte die
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