Im Land des Falkengottes. Echnaton
mit dem, was er sah an Gold, Silber und Karneol.
Lange vor Sonnenaufgang wurden Ti und ich von meinem Diener geweckt. Die Nachtigall in meinem Garten sang ihre unvergleichlichen Melodien und ließ sich von dem Licht der Kerzen, die nach und nach in allen Räumen entzündet wurden, nicht stören. Ich badete mich ausgiebig, und während mein Diener mich rasierte, mich kämmte und mir die Augenfarbe auflegte, trank ich nebenbei einen Becher Milch und aß ein Stück Brot. Dann kleidete ich mich an. Zuletzt nahm ich den Prunkdolch, den mir Ameni vor fast dreißig Jahren geschenkt hatte, und seinen Siegelring. Noch bei völliger Dunkelheit brachen wir auf. Wir waren nicht die Einzigen, die zu dieser Tageszeit zum Palast des Prinzen getragen wurden, und immer wieder trafen wir auf andere Gespanne und Sänften, die den gleichen Weg einschlugen. Als wir den Palast erreicht hatten, herrschte dort schon reges Treiben. Nimuria, Teje und Sitamun hatten die Nacht im alten Stadtpalast von Waset verbracht, um sich eine allzu frühe Anfahrt und das Übersetzen über den Fluss in der Dunkelheit zu ersparen. Nach und nach füllte sich der große Audienzsaal,bis alle Großen der Beiden Länder und die ausländischen Abgesandten versammelt waren. In den Höfen davor standen ein Großteil der Beamtenschaft, die Leibgarde sowie Soldaten der Divisionen des Amun, des Re und des Ptah unter der Führung ihres obersten Kommandanten Ptahmay.
Vor uns, etwas erhöht, standen fünf Throne aus Elektron. Zwei größere für die beiden Herrscher und drei kleinere für die Großen königlichen Gemahlinnen und für Prinzessin Sitamun. Dahinter prangte in bunten Farben ein mächtiges Wandgemälde, vor welchem aus vier Metallkesseln unentwegt dicke Schwaden feinsten Weihrauchs emporstiegen. Man sah die beiden Herrscher mit weit ausladendem Schritt den Feinden gegenüberstehen. Jeder holte mit einer Keule weit aus, um auf sie einzuschlagen, die, bereits am Boden liegend, um ihr erbärmliches Leben flehten. Hinter den Herrschern, die durch ihre Namenszeichen gekennzeichnet waren, standen Re-Harachte und Amun.
Ich sah mich schweigend um. Viele der Anwesenden unterhielten sich noch, und ohne zu ahnen, dass mein gutes Gehör wie so oft jedes ihrer Worte vernahm, tauschten sie ihre Boshaftigkeiten aus. Ich sah hinüber zu einigen Priestern des Amun und lächelte sie an. Sie lächelten zurück, doch ich hörte, wie einer von ihnen durch seine Zähne hindurchzischte: «Ich möchte diesen Mann am liebsten heute noch tot sehen. Wie ich diesen Eje hasse!»
Nachdem ich diese Worte des Ahnungslosen vernommen hatte, lächelte ich ihm nochmals zu und neigte wie zum Dank leicht meinen Kopf. Er schien etwas verwirrt, dann nickte er freundlich zurück. Ich schwieg, doch in meinem Inneren äußerte ich denselben Wunsch wie er. Wie beruhigt war ich, als mir auch ein paar erfreuliche Worte anderer Gäste zu Ohren kamen.
Ein Fanfarenstoß ließ alle verstummen und sich zu Boden werfen: Pharao erschien, und mit ihm Teje, Sitamun, Prinz Amenophis und Nofretete. Wir durften uns erheben. Nimuriaund Teje trugen das vollständige königliche Ornat, der Prinz nur einen weißen Schurz und ein Nemes-Kopftuch, Nafteta ein einfaches, langes Kleid. Durch den gegenüberliegenden Eingang betraten drei oberste Priester des Amun den Saal. Ihr ganzer Körper war kahl geschoren, und über dem bodenlangen weißen Gewand lagen Leopardenfelle über ihren Schultern und wiesen sie als die Ersten Sehenden des Amun aus. Sie nahmen Pharao und Prinz Amenophis in ihre Mitte und verließen mit ihnen die Halle. Sie gingen durch den Verbindungsgang auf dem kürzesten Weg zum Heiligtum des Amun, wo Nimuria den künftigen Mitregenten in die heiligen Riten einweihte, damit er sie künftig als einer der beiden Mittler zwischen Gott und Mensch auch allein ausführen konnte. Nach gut einer Stunde kehrten sie zurück, und ein gewaltiger Fanfarenstoß ließ uns erneut zu Boden fallen.
Mit gewaltiger Stimme rief Ramose nun zu uns:
«Horus ist erschienen, Neb-maat-Re, der Herrscher über Ober- und Unterägypten, er lebe, sei heil und gesund, der Herr über alle Fremdvölker, der Herr der Welt,
Starker Stier, der in Maat erschienen ist,
der die Gesetze dauern lässt
und die Beiden Länder beruhigt,
mit großer Kraft, der die Asiaten schlägt,
Amenophis mer-chepesch, Gott-Herrscher von Waset.»
Wieder erschallte ein Fanfarenstoß, und der Wesir Ramose rief nochmals:
«Horus ist erschienen,
Weitere Kostenlose Bücher