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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Audienzsaal, und als Tutanchaton und Anchesen-paaton zwischen den Wedelträgern in der Türöffnung erschienen, waren ihre Untertanen bereits niedergekniet und vergruben das gesenkte Antlitz in ihren Händen. Haremhab und ich nahmen neben den Thronen der Majestäten Aufstellung, und schweigend warteten alle, bis sich die kleine Seitentür öffnete und Meriptah mit zwei Priestern erschien.
    Die drei kahl rasierten Männer trugen zum Zeichen ihres hohen Amtes Pantherfelle über den Schultern, ansonsten waren zwei goldene Armreife alles, was sie an Schmuck trugen. Ihre weißen Schurze waren noch immer so einfach und faltenlos, wie man es bei ihnen seit den Tagen des Alten Reiches gewohnt war. Wie bei allen Priestern Ägyptens waren auch ihre Körper aufs peinlichste von jedem noch so winzigen Härchen befreit, damit nichts Unreines an ihnen war. Ihr Gesichtsausdruck war nichtssagend und leer, als hätten sie zuvor im Übermaß vom berauschenden Saft einer Mandragora genascht. Meriptah und seine beiden Begleiter verneigten sich vor dem jungen Herrscherpaar, und mit einem knappen Kopfnicken bedeutete ich dem Knaben, dass er sich jetzt erheben musste. Die Wedelträger blieben bei Anchesen-paaton zurück, während Tutanchaton, Haremhab und ich den Priestern folgten.
    Durch schier endlose Gänge führte unser Weg zum Heiligtum Amuns und dort in dessen Innerstes mit dem Schrein, der die goldene Figur des Verborgenen umgab. Auf einem altarähnlichen Tisch stand das Zeichen der höchsten Macht auf Erden, die weiß-rote Doppelkrone der Pharaonen. Neben ihr lagen Geißel und Krummstab, ein geflochtener Zeremonialbart und ein Prunkgürtel, an dem ein Stierschwanz befestigt war.
    Tutanchaton nahm auf einem schlichten Holzsessel Platz und ließ zu den eintönigen Gesängen all der einfachen Vorlesepriester, die an den Seitenwänden des Allerheiligsten Aufstellung genommen hatten, die rituellen Waschungen über sich ergehen. Dann führte ihn Meriptah vor den Schrein, schob den Riegel zur Seite und öffnete die beiden goldenen Türflügel. Der Priester nahm die Figur heraus, küsste sie ehrfurchtsvoll und reichte sie Tutanchaton, damit auch er sie küsste. Während Meriptah leise ein Gebet murmelte, goss er aus einer kleinen silbernen Kanne Wasser über Amun. Tutanchaton tat es ihm gleich. Mit feinstem Leinen trockneten jetzt beide die Statue, rieben sie mit einem wohl riechenden Öl ein, und zuletzt stellte sie Meriptah in den Schrein zurück. Noch einmal sprach der Priester ein Gebet. Dann ließ er sich den goldenen Weihraucharm reichen und schüttete mit einer kleinen Kelle eine Hand voll Körner des kostbaren Baumharzes in die Glut. Er schwenkte das heilige Gerät vor der Figur hin und her, bis die Gottheit im weißen Rauch fast völlig verschwunden war. Er übergab den Stab Tutanchaton, und auch er brachte Amun das Weihrauchopfer dar.
    «Verschließt jetzt die Tür des heiligen Schreins», flüsterte Meriptah, «damit Ihr sie künftig auch öffnet, Ihr, der Ihr jetztder Herr der Beiden Länder seid. Möget Ihr Amun opfern in Millionen von Jahren!»
    Tutanchaton stieg auf einen kleinen Schemel, der eigens für ihn bereitgestellt war, und schob den Riegel des Schreins wieder zu.
    Dann wurden die Gesänge der Priester lauter und feierlicher. Die Stellvertreter Meriptahs nahmen das goldene Diadem und das Kopftuch vom Kopf ihres Herrschers und legten beides auf den Tisch. Unter ständigem Beten ergriff der Erste Sehende die Doppelkrone und setzte sie vorsichtig auf den Kopf des Knaben. Dann legte er ihm den Prunkgürtel und den geflochtenen Zeremonialbart um, und schließlich überreichte er ihm Geißel und Krummstab. Für einen kurzen Augenblick vergaß der Junge den Ernst und die Würde der Zeremonie und lächelte mir zu, denn jetzt wusste er, dass er Pharao war, der Gute Gott Tutanchaton Neb-chepru-Re, der Herr der Beiden Länder.
    Obwohl ich den Unmut Meriptahs über die kurze Gefühlsregung Nassibs bemerkt hatte, lächelte ich kurz zurück. Noch einmal durfte ich erleben, wie ein junger Horus den Thron Ägyptens bestieg. Früher war ich immer nur der Diener meiner Herren gewesen, arbeitete auf ihren Befehl hin und durfte zurückhaltend Ratschläge erteilen. Diesmal aber würde ich die Verantwortung nicht nur für das leibliche Wohlergehen dieses Horus tragen. Wenn mir Aton, oder welche Macht auch immer, die Lebenszeit schenkte, dann würde ich bis zur Großjährigkeit Tutanchatons, also fast sieben Jahre lang, die Verantwortung

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