Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Herr!»
«Was ist mit deinem Herrn?», wurde Mahu noch lauter.«Bring uns zu ihm!», forderte Mahu den Diener in barschem Ton auf, ohne ihn loszulassen. Der Mann führte uns durch den Palast bis zu dessen Hinterausgang, überquerte den Hof und zeigte auf die Pferdeställe, von wo noch lauteres Wehklagen kam.
Acha hatte sich am frühen Morgen, vielleicht eine Stunde vor unserem Eintreffen, erhängt. Sein lebloser Körper hing noch an dem Seil, das er an einem Dachbalken verknotet hatte. Es war ein schrecklicher Anblick. Aus seinem dunkelroten, fast blauen Gesicht traten die Augen weit hervor, und zwischen den Lippen sah man seine dick angeschwollene Zunge. Eine Leiter und ein umgestoßener Schemel lagen daneben. Iset, Achas Frau, kniete zu Füßen ihres toten Mannes. Sie hatte das Gesicht in den Händen vergraben und weinte. Um sie herum standen zwei Söhne meines einstigen Freundes und sahen ratlos zu ihrem Vater empor, während sie heftig weinten.
«Nehmt ihn ab!», sagte Mahu zu seinen Polizisten, die jetzt auch hinzugekommen waren.
Ich selbst beugte mich zu Iset hinab, umfasste ihre Schultern, half ihr auf und nahm sie in meine Arme. Ich drückte sie fest an mich und dachte an einige der schönsten Tage meines Lebens, die ich mit Acha verlebt hatte. Ich erinnerte mich an unsere Jugend im Palast von Men-nefer und an die Zeit, die wir in Babylon verbracht hatten. An die vielen Feste in Waset, in Merwer und in Achet-Aton, die gerade er genossen hatte wie kaum ein anderer. Da hing er nun, er, der ein Leben lang ein Liebling der Frauen gewesen war, der «Pyramidenrennmäuse», wie er sie immer genannt hatte.
Arme Iset! Was mochte jetzt in ihr nur vorgehen? Ob sie es in diesem Augenblick bereute, dass sie wegen dieses Mannes, der jetzt als ein Verbrecher galt, als ein Verdammter auf alle Ewigkeit, dass sie wegen dieses Mannes ihre Heimat Babylon verlassen hatte?
«Komm!», flüsterte ich ihr zu. «Lass uns ins Haus gehen. Das ist kein guter Ort, um länger zu verweilen.»
Iset klammerte sich an mir fest, und langsam, Schritt für Schritt, gingen wir zurück in den Palast.
«Warum hat er das nur getan, Eje?», fragte sie mich, nachdem wir auf der Terrasse saßen und eine Weile schweigend in den Garten gesehen hatten. Ich wollte Iset nichts vormachen, denn wenn es einen gab, der berufen war, ihr die Wahrheit zu sagen, dann war ich es als Achas ältester Freund.
«Es sind in den letzten Tagen schlimme Dinge ans Tageslicht gekommen, Iset. Dinge, die ich mir nie vorstellen konnte, in die aber Acha offenbar tief verstrickt war.»
Iset sah mich verständnislos an. «Was meinst du damit, Eje?»
«Gold, Iset. Gold. Er und eine Reihe anderer Männer, die wir noch nicht alle kennen, haben die Krone über Jahre hinweg bestohlen.»
«Das kann nicht sein!», unterbrach sie mich entsetzt. «Acha hätte so etwas nie getan!»
Ich ergriff ihre Hand und sah in Isets Augen. Ich nickte und sagte: «Es ist so, Iset. Und ich kann es dir nicht ersparen, dass Mahus Männer in Achas Arbeitszimmer nach weiteren Beweisen suchen, damit wir alle, die an dem Betrug beteiligt waren, fassen können.»
Iset schüttelte ungläubig den Kopf und stammelte dabei immer wieder: «Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein!»
«Dir und deiner Familie wird nichts geschehen. Ich verspreche dir auch, dass Acha ehrenvoll bestattet wird und dass wir alles unternehmen, damit nichts nach außen dringt. Er hat sich selbst gerichtet und seine Familie ins Unglück gestürzt, das ist schlimm genug.»
Mahu blieb mit einigen Polizisten im Palast Achas zurück, um dort nach weiteren oder sogar den entscheidenden Beweisstücken zu suchen. Ich bat ihn, auf Iset und ihre Söhne so weit es ging Rücksicht zu nehmen, und fuhr dann in den Stadtpalastzurück. Auf meinem Weg dorthin erinnerte ich mich daran, dass ich dem alten Schmelzmeister Amunmessu versprochen hatte, ihn so lange bewachen zu lassen, bis jede Gefahr für ihn vorbei sein würde. Wenig später brach ein Trupp Soldaten in sein kleines Dorf auf.
Tutanchaton war so sehr in ein Gespräch mit dem Schiffsbaumeister Nebenkemet vertieft, dass er mein Kommen gar nicht bemerkt hatte. Der uralte Meru erklärte seinem jungen Herrscher das Modell eines in Wirklichkeit gewaltigen Schiffs, auf welchem die Obelisken aus den Steinbrüchen in der Nähe der Insel Abu im Süden nach Waset gebracht wurden.
«Und wenn dann der Obelisk endlich über dem Schiff liegt, werden die Steine, die bislang für den
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