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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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hin.
    Anne richtete sich langsam auf und sah sich noch einmal um. Das qualmende Pa, die Toten auf dem Weg – das Paradies, das hier noch am frühen Morgen eine Heimat hatte, war vernichtet. Sie strich Sarah noch einmal über den Scheitel, als sie plötzlich eine Gestalt auf dem Weg sah, die ihr merkwürdig vertraut vorkam. Dieser Schritt, die grauen Haare … David Wilcox. Der Mann, der dafür gesorgt hatte, dass sich an einem einzigen Tag ein Paradies in die Hölle verwandelt hatte. Weil er sie retten wollte, wieder einmal. Das Kriegsschiff vor der Küste und die Soldaten – die hatte sicher er mitgebracht.
    Sie sah ihm schweigend entgegen, zu keiner anderen Regung fähig. So lange hatte sie auf seine Rückkehr gehofft – und so viel Blut war jetzt damit verbunden. Allen voran das Blut der Frau, die ihr in den letzten Monaten eine gute Freundin geworden war.
    Der Mann auf dem Weg blieb stehen und sah sich suchend um, bis sein Blick auf Lotty, die jammernde Sarah und Anne fiel, die ihm mit leichenblassem Gesicht entgegenblickte. Er fing an zu rennen. Anne registrierte überrascht, dass ihr Mann seinen Bauch verloren hatte und um einiges kraftvoller und jugendlicher wirkte als noch vor sieben Monaten. Die Wanderung nach Kororareka schien ihn verändert zu haben.
    Bevor sie darüber nachdenken konnte, kam er schon bei ihr an, schloss sie in die Arme – und wich erschrocken zurück, als er ihren Bauch spürte. »Du erwartest ein Kind!«, rief er aus. Und nach einem zweiten Blick fügte er etwas überrascht hinzu: »Und zwar bald …« Es war nicht zu erkennen, ob er sich freute oder ob er entsetzt war.
    Anne blieb nichts anderes übrig, als unschlüssig zu nicken. »Ja, es kann jeden Tag so weit sein.« Sie deutete auf ihn, in Richtung Strand, auf das Meer zu den Schiffen – eine hilflose Bewegung, die einfach den ganzen Vormittag und alle Menschen umfasste. »Was hast du gemacht? Um Himmels willen, was hast du gemacht?!«
    »Ich habe eine Ewigkeit nach Kororareka gebraucht, mein Liebling. Aber wir haben es geschafft, wir sind gekommen. Ich bin sofort zu Master Busby, habe ihm erzählt, was sich hier abgespielt hat …«
    »Busby? Wer ist das?«, unterbrach ihn Anne. »Ich dachte, ich würde jeden Mann in Kororareka kennen!«
    »Ich hatte vor unserer Abreise schon gehört, dass bald ein Vertreter der britischen Krone nach Neuseeland kommen würde – ebenjener Master Busby. Es war schon klar, in welchem Haus er leben würde – und dass er auch nur eine sehr begrenzte Macht mit nach Neuseeland brachte. Aber wenigstens ein paar Soldaten und eine Man O’War würde er wohl zu seiner Verfügung haben, so hieß es zumindest damals, als uns seine Ankunft angekündigt wurde. Deswegen habe ich mich sofort an ihn gewandt – ich wollte nicht einfach hierherkommen, den Maori eine Handvoll Musketen aushändigen und dann meines Weges ziehen. Sie haben mir Unrecht getan, das musste gesühnt werden.«
    Anne schüttelte traurig den Kopf. »Es waren gute Menschen, David. Sie sind von Paddy-Jay und seinen Freunden in Versuchung geführt worden. Aber sie haben sich gut um mich gekümmert, sie haben hier ein gutes Leben geführt. Ein Leben, das für die meisten von ihnen für immer vorbei ist … Das war nicht gerecht.«
    David ließ sich in seiner Erzählung nur kurz unterbrechen. Noch hatte er keinen Gedanken frei für das Entsetzen über die Geschehnisse des Vormittags. »Busby hatte natürlich weder Soldaten noch eine Man O’War. Er konnte nur einen Brief nach Australien schicken und hoffen, dass ihm die dort stationierten Kräfte unter die Arme greifen würden. Und so war es auch. Nach ein paar Wochen tauchte die Alligator auf, ich hatte bis dahin die Isabella organisiert – und wir sind endlich hierher gesegelt, um dich zu retten, mein Liebling.«
    »Was ist mit Jameson?«, wollte sie wissen. »Er muss doch vor Zorn geschäumt haben, nachdem du mich entführt hast. Warum hat er nicht dafür gesorgt, dass du einen Dolch in den Rücken bekommen hast, als du wieder in Kororareka aufgetaucht bist?«
    »Er hat mich nicht gesehen«, erklärte David mit einem Schulterzucken. »Busby hat mich einfach als einen Verwandten aus Australien vorgestellt – und ich habe so viel abgenommen, dass niemand gemerkt hat, dass ich eigentlich der alte, dicke Walfänger Wilcox bin. Ich habe Jameson allerdings auch keinen Besuch abgestattet und mich ohnehin von den Menschen ferngehalten. Seit der Zeit im Busch kann ich Menschenansammlungen

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