Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
später eine Hand auf ihre Schulter legte. William Courtenay setzte sich neben seine Tochter auf das Stroh. »Du musst kommen, wir wollen nach Hause reisen«, sagte er mit müder Stimme. »Es wird nicht besser, wenn wir noch länger hierbleiben.«
Sie sah ihn mit ihren rot geweinten Augen an. »Aber es ist so schrecklich, Vater. Sie ist so mutig gelaufen und hat sich da auf der Außenbahn so tapfer gehalten … es ist einfach so schrecklich unfair.« Sie spürte, dass ihr schon wieder Tränen über das Gesicht liefen.
Ihr Vater nickte nur. »Ja. Ihr Herz war wohl größer, als ihr Körper es aushielt.«
Misstrauisch sah Anne ihn an. Das klang nicht so, als sei dieses Unglück völlig überraschend für ihren Vater geschehen. »Hast du etwa gewusst, dass ihre Beine das Tempo eines Rennens nicht aushalten?«, fragte sie vorwurfsvoll. »Hast du geahnt, dass sie das Rennen nicht überlebt? Wie konntest du sie dann an den Start gehen lassen? Das ist doch barbarisch!«
»Ich hatte keine Wahl«, begann ihr Vater vorsichtig. »Du weißt, ich habe viel Geld in Sunrise gesteckt. Geld, das ich nicht wiederbekomme, weil der Hengst angeblich nicht reinrassig genug für den Zuchtverband ist. Egal, wie gut seine ersten Nachfahren sind. Deswegen musste ich endlich wieder Geld mit meinen anderen Pferden verdienen. Die Stute war gut gezogen, viele Züchter haben gerne das Blut von Midas in ihrem Stall. Sie sollte nur noch dieses eine Rennen laufen, dann wollte ich sie verkaufen. Eine Siegerin bringt mehr Geld als nur eine gute Abstammung, allein deswegen musste sie heute an den Start. Der Trainer hat mir schon vor zwei Tagen gezeigt, dass sich der Knochen an einer Stelle leicht verändert hat. Er hielt es für die übliche Veränderung, die viele junge Rennpferde an den Schienbeinen bekommen, wenn sie etwas härter trainiert werden. Mit ein wenig Ruhe ist das normalerweise schnell auskuriert. Aber ich hatte keine Zeit. Wir brauchen Geld, um unsere Zucht weiterführen zu können. Ordentlich Geld.« Er seufzte, seine Schultern sanken nach vorne. »Ich habe einfach gehofft, dass alles gut geht. Und jetzt stehe ich ohne alles da. Schlimmer als jemals zuvor. Ohne einen Penny für die Stute – und Midas hat jetzt den Ruf, keine harten Pferde zu zeugen. Du wirst sehen – nach dem heutigen Tag werde ich für die Fohlen aus seiner Zucht keine guten Preise mehr erzielen.«
Er schüttelte noch einmal den Kopf. »Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll, mein Kind. Wir haben noch nicht einmal Heu und Hafer für den kommenden Winter gekauft. Ich habe so sehr auf den heutigen Verkauf gezählt. Damit wäre erst einmal alles wieder einfach geworden … Aber jetzt? Ich weiß nicht, mein Kind. Ich weiß einfach nicht.«
»Können wir nicht ein wenig Geld von den Mallorys leihen? Gregory und ich wollen doch heiraten, dann wachsen die beiden Gestüte doch ohnehin zusammen«, schlug Anne vor. Sie war sich sicher, dass Gregorys Eltern diesen Engpass überbrücken würden.
Ihr Vater lächelte müde. »Die Mallorys sind gute Nachbarn und nette Menschen. Aber sie sind auch auf ihre Finanzen bedacht. Weder George noch Victoria haben etwas zu verschenken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie uns helfen. Im Gegenteil. Womöglich ist es für die Verbindung von dir und Gregory eher hinderlich, wenn sie befürchten müssen, dass sie sich um die Mitgift sorgen müssen. Ich werde mir schon einen anderen Geldgeber suchen müssen.« Er versuchte ein schwaches Lächeln, was ihm aber kläglich misslang.
Empört schüttelte Anne den Kopf. »Aber Gregory und ich wollen doch heiraten, weil wir uns lieben und nicht wegen irgendeiner Mitgift. Vater, ich bin mir sicher, dass wir die Mallorys fragen können. Soll ich Gregory fragen?«
»Untersteh dich, mein Kind. Auch wenn du es nicht glaubst: Du könntest wirklich dein Glück gefährden. Und daran möchte ich wirklich nicht einmal denken. Mach dir keine Sorgen, ich werde diesen Engpass schon meistern. Vielleicht muss ich auch nur noch einmal mit dem Zuchtverband sprechen.« Er erhob sich und reichte Anne seine Hand. »Komm, wir sollten zu deiner Mutter gehen. Sie sitzt sicher schon in der Kutsche und wartet auf uns.«
»Weiß sie von unseren Problemen?«, vergewisserte Anne sich, während sie sich bei ihrem Vater unterhakte und mit ihm die Stallungen verließ.
Er nickte nur. »Ja. Und sie macht sich große Sorgen. Ich fürchte um ihre Gesundheit, wenn sie so weitermacht. Es scheint mir, als ob sie keine
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