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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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stellte nicht nur die richtigen Fragen, sondern schien sich auch für die Antworten zu interessieren. Zu gerne hätte er mehr von ihr gewusst – aber sie wehrte alle persönlichen Fragen entschlossen ab. So als ob es darum ginge, ein echtes Geheimnis zu bewahren.
    »Was ist dann in deinen Augen gewinnversprechend, wenn es die Rinder nicht sind?« Sie sah ihn fragend an.
    »Schafe. Luxusgüter wie Teppiche oder bessere Möbel für die Menschen, die es hier zu etwas gebracht haben. Wie dein Master Jameson zum Beispiel.«
    »Der wird sein Geld kaum für irgendetwas ausgeben, das er nicht unbedingt benötigt. Und er ist schwerlich ›mein‹ Master Jameson.« Der letzte Satz klang ungewöhnlich scharf. Dann schien sie sich eines Besseren zu besinnen. »Aber da du mich so charmant an meinen Herrn erinnerst: Er bekommt sein Geld nicht dafür, dass ich mich so nett mit dir über die wirtschaftliche Entwicklung in Neuseeland unterhalte.« Sie deutete auf die bunte Wolldecke. »Wollen wir es uns vielleicht ein wenig gemütlicher machen?«
    Wilcox musste unwillkürlich lächeln. Diese Frau würde niemals den anzüglichen Ton der leichten Mädchen von Kororareka treffen. Bei ihr klang die Einladung zu einem Schäferstündchen immer wie etwas Unvermeidliches wie ein Husten oder gar ein Harndrang. Andererseits fühlte es sich dadurch nicht wie bezahlte Liebe an, sondern eher wie eine ganz besondere Freundschaft. Und so dachte er auch von Anne, wenn er sich an sie erinnerte. Er nickte also und deutete auf eine Flasche Wein nebst zwei geschliffenen Kristallgläsern, die auf einem kleinen Tisch bereitstanden. »Sehr gerne. Aber sollen wir vorher nicht ein wenig miteinander trinken? Ich habe den Smutje auch gebeten, uns einen Fisch zu braten – nur für den Fall, dass du Hunger haben solltest …«
    »Sehr gerne«, nickte Anne. »Den Fisch, meine ich. Alkohol am helllichten Tag versuche ich zu vermeiden. Zu viele der Mädchen, die in Kororareka leben, können ihr Leben nur mit Fusel ertragen. Das finde ich schade, denn damit bekommen sie von ihrem Leben wirklich nichts mehr mit. Und es ist ja nicht alles schlecht, oder?«
    »Für diese Mädchen?« Wilcox schüttelte den Kopf. »Doch. Welche Zukunft haben sie denn? Für Master Jameson zu arbeiten, bis sie nicht einmal mehr ein einbeiniger Blinder anrühren mag? Und dann? Es wäre mir neu, dass er ein Altersheim eingerichtet hätte.«
    Anne biss sich auf die Lippen. »Ich nehme an, die meisten hoffen, dass sie diesen Wahnsinn doch verlassen dürfen, bevor sie kein eigenes Leben mehr führen können.«
    »Wie viele Mädchen hat er denn bisher laufen lassen? Dürft ihr denn einfach so eure Sachen zusammenpacken und diesem Loch hier den Rücken kehren?« Wilcox gab sich selber die Antwort. »Wohl kaum. Oder?«
    »Ich habe es bisher nicht erlebt. Jameson betrachtet uns als sein Eigentum – und da es hier keine Rechtsprechung gibt, können wir auch schlecht erklären, dass es keine Sklaven im britischen Königreich gibt, oder?« Sie seufzte. »Er hat Geld gezahlt, für jede Einzelne von uns. Das möchte er nicht nur wieder erwirtschaften, das will er natürlich auch mehren. Du hast womöglich recht: Er lässt uns nicht mehr laufen, bis er uns als zahnlose Greisinnen auf die Straße wirft.«
    Merkwürdigerweise wirkte sie durch diesen Satz nicht sonderlich niedergeschlagen. Wilcox folgte ihrem Blick aus der geöffneten Luke und fragte leichthin: »Das ist aber nicht dein Ziel, oder?«
    Sie lächelte schelmisch. »Wohl kaum. Aber ich werde dir ganz sicher nicht meinen Plan erklären. Es könnte ja sein, dass du doch mit Jameson befreundet bist. Und dann könnte ich all meine Ideen begraben, meinst du nicht?«
    Das Gelächter des Schiffseigners erfüllte die Kajüte. »Da hast du sicher recht! Wir sollten uns also lieber Dingen zuwenden, die in unseren Vereinbarungen so festgelegt sind, oder?«
    Er zog sich ohne weitere Umschweife sein sauberes weißes Hemd von den breiten Schultern. Anne sah ihm einen Moment lang zu, bevor sie sich ebenfalls aus ihren Kleidern schälte. Dieser Mann war wenigstens ordentlich gewaschen, war zärtlich und voller Respekt. Wenn sie es richtig einschätzte, hatte sie damit schon wesentlich mehr als so manche Hausfrau in ihrer englischen Heimat, die die Grobheiten ihres Mannes über sich ergehen lassen musste. Sie legte sich zurück auf die leicht kratzende Wolldecke und sah aus dem Fenster. Einfach nicht mit dem Kopf dabei sein. Ihr Geheimnis, wie man dem

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