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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Wahnsinn entkommen konnte, egal, wie freundlich der Mann sein mochte …

DORSET, 1829

    7.
    Mit einer kräftigen Handbewegung schloss William Courtenay die Stalltür hinter sich. Der Wintersturm pfiff weiter durch den schmalen Spalt unter der Pforte, kleine Eiskristalle tanzten über den Boden. Der Winter war hart, sehr hart für das milde Klima, das sonst im Süden Englands herrschte. Der Winter ließ die Gegend seit Monaten nicht aus seinen Krallen. Die trächtigen Stuten konnten nicht auf die Wiesen, um das erste zarte Gras zu zupfen, sondern blieben weiter in den Stallungen, um Heu und Hafer zu fressen. Heu und Hafer, das Courtenay mit geliehenem Geld kaufen musste. Er erklomm die steilen Stufen zum Heulager und hob prüfend seine Laterne. Nur noch ein kleiner Haufen lag in der Ecke des großen Speicherraumes. Gerade noch ausreichend für eine Woche. Und es sah nicht so aus, als ob der Winter in den nächsten Tagen einem warmen Frühling weichen würde. Courtenay seufzte und kletterte die Stufen wieder hinunter.
    In der Futterkammer hob er die Klappe des großen Futterwagens. Ein paar vereinzelte Haferkörner lagen noch auf dem Boden. Genug, um eine kleine Mäusefamilie für einen Tag zu ernähren. Mehr nicht. Die Stuten, Jährlinge, die Zweijährigen und die beiden Deckhengste mussten ab heute ohne Hafer auskommen. Das mochte für einige Tage ausreichen. Aber wie sollte es dann weitergehen? Die Banken würden ihm sicher kein Geld mehr leihen. Das hatten sie noch kurz nach dem Unglück mit dieser kleinen Fuchsstute getan. Aber seitdem hatte Courtenay nicht einen einzigen Penny zurückgezahlt. Das Haus, die Ländereien und die Stallungen waren inzwischen verschuldet, und es sah nicht so aus, als ob es besser werden würde.
    Courtenay ließ sich auf den Schemel in der Futterkammer fallen, auf dem sonst die Stallknechte das Lederzeug putzten oder bei den Mohrrüben die faulen Stellen wegschnitten. Jetzt gab es nur noch einen Stallburschen – und Mohrrüben für seine Vollblüter konnte Courtenay sich nicht mehr leisten.
    Wie hatte das alles nur angefangen? Mit dem Kauf von Sunrise. Dem herrlichen Hengst mit dem perfekten Körperbau und dem großen Herzen, den der Zuchtverband einfach nicht anerkennen wollte? Oder erst dem Tod der Fuchsstute, deren Beine der Belastung eines harten Rennens einfach nicht gewachsen waren? Oder hatte es schon viel früher angefangen – vor vier Jahren, als sein bester Deckhengst an einer Kolik elendig verreckt war und nur wenig später zwei ältere Zuchtstuten schwächliche Zwillingsfohlen auf die Welt gebracht hatten?
    Courtenay schüttelte den Kopf. Sein Glück hatte ihn verlassen. Er wusste nicht mehr, wann genau – aber eines Tages hatte er es wohl einfach aufgebraucht. Und jetzt stand er mit leeren Händen hier und sah keinen Ausweg mehr. Außer dem, den seine Frau ihm verboten hatte: Er musste Mallory um einen privaten Kredit bitten. Auch dann, wenn er damit die Zukunft seiner Tochter gefährdete … Aber er durfte dieses Gespräch keinen einzigen Tag mehr aufschieben. Seine wertvollen Pferde durften einfach nicht hungern.
    Entschlossen öffnete er eine Stalltür und zog Sunrise auf die Stallgasse. Der Hengst schüttelte übermütig die Mähne und schnaubte aufgeregt. Das lange Eingesperrtsein im Winter behagte ihm ganz und gar nicht. Sunrise würde sogar einen Ausritt bei diesem Wetter genießen, da war sich William Courtenay ganz sicher. Schnell legte er ihm einen leichten Sattel auf, schob ihm das Gebiss des Zaumzeugs ins Maul und führte ihn an den Zügeln in den leichten Schneefall hinaus. Immerhin war der Wind seit dem Morgen schwächer geworden, stellte Courtenay fest. Er hoffte, er konnte das als ein gutes Zeichen deuten.
    Keine Stunde später saß er bei Mallory im Raucherzimmer. Der Tee mit dem Whisky hatte ihn wieder aufgewärmt, die Höflichkeiten waren ausgetauscht – er musste endlich erklären, warum er eigentlich bei diesem Wetter einen Besuch machte. Ohne große Umschweife erklärte er seine Notlage.
    George Mallory sah seinen langjährigen Freund über den Rand seiner Teetasse hinweg nachdenklich an. »Du brauchst also Geld? Wie viel?«
    William Courtenay schluckte. »Genug, um bis zum Sommer durchzuhalten. Vielleicht kann ich dann ein paar von meinen Jährlingen gut verkaufen. Oder mein Rennglück kehrt zurück …«
    Mit gerunzelter Stirn erhob sich Mallory, öffnete eine Schatulle an seinem Schreibtisch, aus der er eine Zigarre nahm, die er umständlich

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