Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
mir und zwickte mir in die Brust – Ardroy trat ihn mehrmals, bevor er wieder losließ. Ein anderer schlang seinen haarigen Arm um meine Taille und vergrub seinen Kopf in meinem Schoß. Ich konnte seinen heißen Atem durch den dünnen Stoff spüren. Dummes Kind, das ich damals war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich noch schlimmer gedemütigt werden könnte. Ardroy riss mich weiter, hin zu einem kleinen Tisch. Ohne große Umschweife griff er um meine Mitte und hob mich darauf. Jetzt konnte mich wirklich jeder sehen. Meine Beine in dem Rock, meinen Oberkörper mit der zerrissenen Bluse. Mein schamrotes Gesicht, das ich verzweifelt hinter meinen ungekämmten, offenen Haaren verbergen wollte. Es verging fast eine Ewigkeit, bis es leiser im Raum wurde. Offensichtlich hatte der Kahlkopf die Hand gehoben, um sich verständlich zu machen.
›Ihr seht hier ein wunderschönes Mädchen, eine englische Rose, die ganz bestimmt noch nie gepflückt wurde. Für die Gunst, heute Abend ihre Blüte zu öffnen, bitte ich nun um die Gebote. Wie ihr seht: Sie ist etwas ganz Besonderes. Ich denke also, dass ihr heute tüchtig in euer Geldsäckel greifen dürft, um dieses ganz besondere Erlebnis genießen zu dürfen.‹
Sofort schwirrten Zahlen durch den Raum. Hohe Zahlen. Jameson heizte die Bieterei noch an, wedelte mit einer Whiskyflasche als kostenlose Dreingabe für den Sieger in diesem Bieterwettstreit. Ich war wie gelähmt. Das musste einfach ein Albtraum sein, aus dem ich doch ganz sicher bald wieder erwachen würde. Aber ich erwachte nicht. Irgendwann drückte der Fettwanst mir ein Glas voller Whisky in die Hand und bedeutete mir, dass ich mit einem grauhaarigen Mann mit sorgfältig gestutztem Bart und glasigem Blick anstoßen sollte. ›Er wird dich einreiten, schau ihn dir genau an!‹, lachte er dabei. Ich starrte auf den Boden, wollte nichts mehr sehen und konnte es nicht glauben, dass sich genau dieser Boden nicht öffnete, um endlich diesen sündigen Ort zu verschlingen. Aber der liebe Gott hatte an diesem Abend wohl frei. Oder er war nicht an meiner Rettung interessiert, obwohl ich mir wirklich keiner Schuld bewusst war.
Der Mann, der am meisten Geld geboten hatte, vereinbarte mit dem Fettwanst – er hieß Jameson –, dass ich an Bord seines Schiffes kommen sollte. Offensichtlich war es ein Walfänger, der sich für eine erfolgreiche Saison mit vielen erlegten Tieren belohnen wollte. Und ich war sein Pokal.
Jameson nickte nur, ließ mich in ein Zimmer bringen. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss, und ich hörte, wie sich ein Schlüssel umdrehte. Ich war gefangen. Kann man sich so eine Nacht überhaupt vorstellen? Meine Angst wurde von Stunde zu Stunde größer, ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Meine Mutter hatte mir nie gesagt, was Mann und Frau miteinander tun, und meine Beobachtungen in der Deckstation unseres Stalles gaben mir nur einen ungefähren Hinweis. Es konnte doch nicht sein, dass ein Mann eine Frau bestieg wie ein Hengst eine Stute. Oder doch?
Irgendwann erschien ein junger Bursche, brachte mir Tee und einen Haferbrei zum Frühstück und verschwand wieder, ohne mir auch nur ein Wort zu sagen. Ich brachte keinen Bissen herunter, wartete wie eine zum Tode Verurteilte auf meine Hinrichtung. Wenn es irgendeinen Weg gegeben hätte, mich doch noch in die Fluten zu stürzen, dann hätte ich ihn gewählt. Aber ich konnte nur dasitzen und ausharren, hoffen, dass noch ein Wunder geschehen würde. Ein kindlicher Wunsch. Der liebe Gott ist in Neuseeland noch nicht angekommen.
Der Fettwanst tauchte irgendwann im Laufe des Vormittags auf, musterte mich und murmelte etwas von einem feinen Fang – und gab mir wenigstens eine neue Bluse, die ich mir überziehen sollte. Dann packte er mich am Arm und zog mich auf die Straße. Zum ersten Mal konnte ich mich umsehen. Sie wissen, wie Kororareka aussieht. Viel Grün, eine herrliche Bucht, Holzhütten in allen Größen und dazwischen staubige Straßen. Nicht unbedingt eine echte Stadt, aber eigentlich paradiesisch. Das legt sich erst, wenn man es besser kennenlernt. Jameson schubste mich in eines der kleinen Boote, und nur wenige Zeit später fand ich mich an Bord meines Besitzers für diesen Tag. Jetzt nüchtern, mit klarem Blick und leidlich sauberem Hemd. Er lächelte mir freundlich zu und wies mir den Weg zu seiner Kabine. Dabei wirkte er so freundlich und onkelhaft, dass ich mir sicher war, er würde sich nicht mehr an seinen wahnsinnigen Kauf des
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