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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Gestüt. Auf der Mercury gab es keine Planke, kein Segel, kein Tau, das ihm nicht vertraut war. Aus ihm war ein echter Seemann geworden – und der Abschied von der Mercury fiel ihm schwer. Mal abgesehen davon, dass er keine Ahnung hatte, wie er das schaffen sollte, ohne als Deserteur gesucht zu werden.
    Der Verlust eines Armes oder eines Beines – oder auch nur einer Hand – war ein ausreichender Grund, um erst einmal nicht den Heimweg anzutreten. Aber wie sollte er sich selber so eine Verletzung zufügen. Und wenn ihm das gelingen würde und er nicht an einer Blutvergiftung starb – konnte man als Invalide wirklich in einer wilden Kolonie Fuß fassen? Wohl kaum. Er verwarf die Idee fast noch im gleichen Moment, in dem er sie das erste Mal gedacht hatte.
    Also eine Krankheit, die ohne Spuren verschwinden würde, nachdem die Mercury hinter dem Horizont verschwunden war. Nachdenklich fuhr Gregory sich durch seine wilden Locken, die er inzwischen in einem Zopf trug. Das ewige Lachen seiner Jugend war längst aus seinem Gesicht gewichen, seine Züge waren härter geworden, die Haut braun gebrannt. Der Mann, der einst England verlassen hatte, existierte nicht mehr. Nur seine Liebe zu Anne, die war immer noch da. Und deswegen musste er sich überlegen, wie er sich eine schwere Influenza holen konnte, ohne sein Leben in Gefahr zu bringen.
    Ob er die Symptome vortäuschen konnte? Sich benehmen wie ein schwer kranker Mann, eine Krankenschwester oder einen Bader ein wenig bestechen – und auf diese Weise gefahrlos den Dienst quittieren? Das klang ihm wie die passende Idee, die er am besten sofort angehen sollte.
    Leicht hüstelnd machte er sich auf den Weg in das Zimmer der Offiziere. Nicht zu aufdringlich, nur so, dass es alle bemerkten. Keiner beachtete ihn. Drei oder vier der Offiziere saßen an dem langen Tisch zusammen und unterhielten sich aufgeregt. Gregory nickte ihnen zu und setzte sich an den Tisch.
    Ein junger Maat drehte sich zu ihm um. »Stell dir vor – es geht immer noch nicht nach Hause. Morgen kommt James Busby an Bord, wir sollen ihn nach Neuseeland bringen. Er wird der erste offizielle britische Resident der Krone in dem Land werden. Die Wahnsinnigen wollen sich doch engagieren – am Ende der Welt. Noch ein Land, in dem die Einheimischen nur auf unsere Waffen gieren, die sie dann im Krieg gegen uns richten. Und was haben wir von dort zu erwarten? Nur Flachs, Felle, Fischbein …«
    »Wir segeln nach Neuseeland?« Gregory bemühte sich, nicht allzu begeistert zu klingen. Seinen Husten stellte er sofort ein. Den musste er erst dann wieder vortäuschen, wenn sie vor neuseeländischer Küste lagen.
    Seine Kameraden sahen ihn misstrauisch an. »Ja. Nichts, worüber wir uns freuen müssen. Die See ist so weit im Süden wild und unberechenbar. Selbst du musst inzwischen von den ›Roaring Forties‹ und den ›Stormy Fifties‹ gehört haben. Und der Ort, an dem wir anlegen werden, hat wahrlich einen üblen Ruf.«
    Offensichtlich war es ihm nicht gelungen, seine freudige Überraschung völlig zu verbergen. Er hob abwehrend seine Hände. »Im Gegensatz zu euch wartet in England kein Mädchen auf mich. Ich liebe es, neue Länder und neue Orte zu sehen. Deswegen verzeiht mir, wenn ich einen Abstecher nach Neuseeland nicht allzu schlimm finde. Es ist doch nicht allzu weit, auch wenn die See unruhig sein sollte. Oder?«
    »Nein. Drei oder vier Tage, und wir werfen schon wieder Anker. Mit ein bisschen Glück bleiben wir nur wenige Tage und segeln dann endlich Richtung Heimat.« Der Maat lachte auf. »Wobei man sagen muss, dass von Neuseeland aus jede Richtung nach Hause führt – weiter weg von zu Hause kann man nicht mehr sein. Unheimlicher Gedanke. Aber wir werden vor 1834 nicht in der Heimat sein … dann kann mein Sohn nicht nur laufen, sondern auch reden. An mich wird er sich nicht erinnern.« Ein bitterer Zug um seine Mundwinkel war nicht zu übersehen.
    Gregory schlug ihm aufmunternd auf die Schultern. »Er wird dich schnell wiedererkennen. Und bevor du wieder in See stichst, sorgst du für einen kleinen Bruder, nicht wahr?«
    Die Männer lachten und ergingen sich in detaillierten Beschreibungen über den Spaß, den die Erzeugung dieses Brüderchens sicher machen würde. Das Thema Neuseeland oder James Busby war erst einmal beendet.
    Fröhlich pfeifend sah Gregory zu, wie am nächsten Tag James Busby am Kai auftauchte und über den schmalen Steg an Bord der Mercury kam. Dieser Mann sollte also die

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