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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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diesem Ardroy ihr großes Glück gefunden hatte, dann wollte er ohne Zögern zurückstehen. Sich über ihr Leben mit ihr gemeinsam freuen, vielleicht einen kleinen Sohn oder eine wunderschöne Tochter bewundern. Aber sie sollte wissen, dass er für sie sein ganzes Leben über den Haufen geworfen hätte, dass sie völlig zu Unrecht sein Angebot ausgeschlagen hatte. Fast freute er sich über die Aussicht, ihr verblüfftes Gesicht zu sehen. Er würde Anne zeigen, was es bedeutete, seine Angebote abzulehnen …
    Doch tief in seinem Herzen wusste er, dass all seine Vorsätze nur Schall und Rauch waren. Er liebte Anne zu sehr, um sie einem anderen zu lassen. Und er liebte sie zu sehr, um ihr Unglück zu wünschen. Eine Zwickmühle, aus der ihn wohl nur Anne selber befreien konnte.
    Die Reise über die Tasmanische See war schrecklich. Die Breitengrade waren zu Recht dafür berühmt, es den Seefahrern nicht leicht zu machen. Kaum waren sie auch nur wenige Meilen von der Küste entfernt, türmten sich haushohe Wellen vor der Mercury auf. Mehr als einmal hatte Gregory das Gefühl, dass das Schiff nur der Spielball einer mächtigen Natur war – und die Mannschaft lediglich über Gebete Einfluss auf ihre Geschicke nehmen konnte. Der Einzige, der bei diesem Sturm gelassen blieb, war der Kapitän. Der zuckte nur mit den Achseln, erklärte, dass man an diesen Bedingungen nichts ändern könne und er auch nicht verstehen würde, warum Seine Majestät nun auch noch in dieser Gegend der Welt ein Interesse anmeldete. »Hier verschwinden allmählich sogar die Wale«, erklärte er noch – dann zog er sich in seine Kajüte zurück, um möglichst genau auszurechnen, wie sie den Norden Neuseelands erreichen konnten.
    Busby war die ganze Überfahrt nicht zu sehen. Als Gregory einmal nach seinem Befinden fragte, verdrehte der zweite Maat nur die Augen. »Dieser Jammerlappen behauptet, dass er nur noch sterben will. Wenn das die Zukunft von Neuseeland sein soll, dann sieht es in der Tat düster aus.«
    Die Zukunft von Neuseeland war Gregory in diesem Augenblick herzlich egal. Er hielt bereits Ausschau nach den ersten Anzeichen für das nahende Festland und malte sich immer neue Varianten seines Wiedersehens mit Anne aus.
    Als endlich die ersten Vögel zeigten, dass es nicht mehr weit sein konnte, beruhigte sich auch der wütende Sturm. Das Meer veränderte seine Farbe, zeigte ein tiefes Türkis, am Horizont tauchte ein schmaler Streifen Land auf. Als er näher kam, erkannte Gregory Sand, in sich verdrehte einzelne Bäume und kein Anzeichen einer Menschenseele. Sie segelten noch einmal einen kompletten Tag an der Küste entlang in den Süden, ohne auch nur die Spur einer Siedlung zu sehen.
    Das änderte sich schlagartig, als die Mercury schließlich um eine kleine Landzunge in eine weit geschwungene Bucht segelte. In einer Senke zwischen zwei Hügeln erkannte Gregory einzelne Häuser mit kleinen Fenstern, die auf das Meer hinausblickten. Sie drängten sich zusammen, als ob sie sich gegenseitig Trost vor so viel Landschaft geben mussten.
    Sehr viel beeindruckender war die Flotte, die in dieser Bucht ankerte: Mehr als zwanzig Schiffe mit unterschiedlichster Takelage und Größe wiegten sich gemächlich auf den Wellen, schienen sich hier von den Strapazen auf hoher See auszuruhen. So winzig dieses Kororareka war – es schien eine ungeheure Anziehungskraft auf die Walfänger in diesem Teil der Welt zu haben. Gregory wurde nervös. Offensichtlich lebte Anne weniger abgeschieden, als er sich das immer vorgestellt hatte. Womöglich gefiel ihr der Trubel in dieser kleinen, lebendigen Hafenstadt?
    Für seinen Geschmack dauerte es viel zu lange, bis endlich der Anker geworfen war, die Segel und Taue verstaut – und natürlich James Busby in das kleine Boot stieg, um als Erster das Festland zu betreten. Der Mann sah leichenblass aus, seine Haare klebten mit getrocknetem Schweiß an seinen Schläfen, die Hände zitterten. Es war leicht zu sehen, dass er auf der Überfahrt ein ordentliches Maß an Leid erfahren hatte. Von der Mercury aus konnte Gregory erkennen, dass der Vertreter der britischen Krone von nur wenigen Männern am Strand empfangen wurde. Offensichtlich maß niemand dieser Ankunft allzu große Bedeutung bei – sonst wären sicherlich mehr Einwohner der Stadt zu Busbys Empfang erschienen.

KORORAREKA, 1832

    17.
    Es dauerte nicht lange, und auch Gregory betrat zum ersten Mal den festen Boden von Neuseeland. Neugierig schaute er sich um.

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