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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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langsam näher, während Anne sich vorsichtig ein paar Schritte von dem Geschehen entfernte. Der Schwarzhaarige giftete immer noch. »Und jetzt lässt er sich von uns irgendwo am Ende der Welt aussetzen – und dann dürfen wir dieses Schiff hier nach Australien bringen. Wir müssen es apportieren wie brave Hündchen, bevor wir mit unserer letzten Heuer von Bord gehen und nach einem neuen Schiff suchen müssen, auf dem wir anständig bezahlt und wie Menschen behandelt werden.«
    Anne stellte sich unauffällig hinter eine große Tonne. Jetzt mussten die anderen Seeleute für David Wilcox eintreten. Es war doch kompletter Unsinn, was dieser schwarzhaarige Wicht da verkündete. Wenn dem Mann seine Frau abhandengekommen war, dann war es doch wirklich nur sein eigenes Problem.
    Zu ihrer Überraschung stellten sich zwei oder drei von den jungen Matrosen hinter den Schwarzhaarigen. »Er hat recht«, erklärte einer. »Er hat sich auf unsere Kosten bereichert. Jetzt wollen wir auch endlich mal was von seinem Reichtum holen. Hat sich jetzt tatsächlich eine Nutte für seinen Privatgebrauch gekauft – das zeigt doch nur, wie reich er eigentlich ist! Und das ist nicht irgendeine Nutte – die war die Königin von Kororareka, die war bestimmt nicht billig zu haben.«
    Anne sah besorgt, dass einige der Männer bei diesen Sätzen zustimmend nickten. Was, wenn sich die Stimmung jetzt gegen David drehte? Der Mann, der seinen Kapitän am Anfang verteidigt hatte, hielt sich immer noch die Wunde am Oberarm. Sein Hemd war bis zum Ellenbogen von hellrotem Blut durchnässt. Er lehnte gegen die Reling und hielt seine Augen geschlossen. Mit wachsender Panik sah Anne den anderen Männern ins Gesicht. Sie alle sahen entschlossen aus. Und sehr einig in ihrer Absicht, David Wilcox etwas von seinem Vermögen abzunehmen. Was mochte das nur für ein Abkommen mit diesem Oao… sein? So ein Maori war doch kaum fähig zu einer ordentlichen Absprache, in der auch Geld eine Rolle spielte. Oder doch?
    Zwei der Männer reckten ihre Faust gen Himmel. »Weg mit Wilcox!«, riefen sie. Das erste Mal noch leise flüsternd, so als sei es eine Art Versuch. Aber schon beim nächsten Mal wurden ihre Worte deutlicher, und weitere Männer stimmten ein. Noch viermal, und es dröhnte aus allen Kehlen über das Deck: »Weg mit Wilcox!«
    Anne spürte, wie in ihr die kalte Panik aufstieg. Was würden diese entfesselten Männer mit ihrem Mann machen? Und noch schlimmer: Was hatten sie mit ihr vor? Seitdem sie in Kororareka den Anker gelichtet hatten, redeten die Männer über sie. Die Nutte von Wilcox, die er sich gekauft hatte. Anne hatte die Ohren vor diesem Geschwätz verschlossen. Wenn sie und David erst einmal auf ihrem eigenen Grund, fernab von allen Menschen, leben würden – dann war es bestimmt schon nach kürzester Zeit egal, wie sie zwei Jahre lang für ihr Überleben gesorgt hatte.
    Aber jetzt sah die Sache anders aus. Diese wütenden, brüllenden Männer wollten David umbringen. Da war sie sich sicher. Und dann wäre sie Freiwild, ein Opfer für alle, die sich an ihrem Kapitän rächen wollten.
    Anne drehte sich um und huschte, so schnell sie konnte, die wenigen Stufen in ihre Kajüte hinunter. Sie fand ihren Mann über eine Karte gebeugt, mit einem Kompass und einem Sextanten in der Hand. Offensichtlich hatte er noch nichts von den Unruhen vor seiner Tür gemerkt. Er sah auf, lächelte ihr zu – und bemerkte erst dann die Panik in ihrem Gesicht. Sein Lächeln erstarb. »Was ist passiert, Liebling?«
    Sie deutete über ihre Schulter nach hinten. »Die Männer … sie planen eine Meuterei!«, brachte sie atemlos hervor. »Sie sind schon dabei! Sie wollen dein Geld! Sie wissen, dass du nach dem Verkauf deiner Walfänger Geld haben musst. Und sie sind überzeugt, dass es mit ihrer Arbeit verdient worden ist!«
    »Diese Idioten!«, knurrte Wilcox. »Die haben so wenig Ahnung vom Walfang und von der Seefahrt, dass es einfach lächerlich ist, wenn sie etwas anderes behaupten. Ich werde sie zur Räson bringen, mach dir keine Sorgen.«
    Damit warf er seine Instrumente auf den Kartentisch und stürmte aus dem Raum, noch bevor Anne ihn aufhalten konnte. Sie rannte hinter ihm her – und stieß an seinen Rücken, als er in der Tür plötzlich erstarrt stehen blieb. Mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet: Alle Matrosen riefen immer noch im Chor: »Weg mit Wilcox!« Dazu hatten sie eine Strohpuppe in die Takelage gehängt, die offensichtlich den unbeliebten

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