Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
Bauern und Handwerker bedienen konnten, wenn sie ein Dienstmädchen, ein Kindermädchen oder etwas Warmes fürs Bett brauchten.
Meistens sollten die Frauen alles gleichzeitig sein. Wenn sie dann das Pech hatten, schwanger oder krank zu werden, dann wurden sie zum Teil wieder in der Fabrik abgegeben. Es sei denn, einer der Männer hatte genug Ehre im Leib, um die Mutter seines künftigen Sohnes oder seiner Tochter zu heiraten und damit auch zu einer ehrbaren Frau zu machen. Musste er aber gar nicht. Der Missionar, den wir damals in Parramatta hatten, hat uns einfach eingeteilt in Huren und Ehefrauen. Dazwischen gab es nichts für ihn. Dabei schwöre ich: Die meisten Frauen, die mit mir nach Australien kamen, waren noch Mädchen, als sie das Schiff nach Australien betraten. Sie wurden erst auf der Reise zu Frauen gemacht. Aber in seiner Welt musste man schon vor den Altar treten, um in seinen Augen ein lebenswertes Leben zu führen.
Kitty und ich, wir schlugen uns durch. Durften schon bald aus der Fabrik ausziehen und wohnten dann bei unseren Dienstherren. Meiner war ein Schafzüchter. Ein Mann, der ein Mädchen brauchte, das für ihn kochte, seine Wäsche wusch und nachts für ihn da war. Ich war fünfzehn, als ich lernen musste, dass so meine Zukunft aussah. Ich denke, ich hatte sogar Glück. Der Mann war freundlich, schlug mich nicht und bedankte sich sogar, wenn ihm mal ein Essen besonders gut geschmeckt hatte. Das ist besser, als so mancher Ehemann seine Frau behandelt, oder?
Er hatte mich ausgesucht, weil die hübscheren Mädchen von den Offizieren gewählt worden waren. Mädchen wie Kitty, mit einer schlanken Taille, blauen Augen und blonden Locken. Brachte ihr aber kein Glück, ihr Aussehen. Schon zwei Tage nach unserer Ankunft kam ein schneidiger junger Offizier. Fitzpatrick. Bart, schmale Nase, eng zusammenstehende Augen und fest davon überzeugt, dass er Gottes Geschenk an dieses neu entdeckte Land sein musste. Der stolzierte an den neu angekommenen Mädchen vorbei, musterte sie und griff ihnen sogar an den Hintern und an die Brust. Bis er bei Kitty stehen blieb. Sie begrabschte und dann sagte: »Du kommst mit.«
Das war’s. Von Stund an wohnte Kitty bei ihm. Ein schönes Steinhaus, ein bösartiger Mann.
Wir wohnten nicht weit voneinander entfernt. Manchmal ist sie ausgerissen, während er bei seinen Männern war, und hat mich besucht. Mir ihre blauen Flecken und gebrochenen Finger gezeigt. Das hat er nur gemacht, weil es ihm Spaß machte – und niemand hat dieses Biest daran gehindert. Es dauerte kein Jahr, und Kitty wurde schwanger. Das hat ihn aber nicht etwa gefreut. Nein, er hat sie einfach in der Factory abgegeben und sich ein neues Mädchen ausgesucht, das er quälen konnte. Und Kitty blieb in dem großen Schlafsaal zurück. Musste arbeiten – Näharbeiten und andere Sachen –, bis die Wehen losgingen. Und brachte dann ein kleines Mädchen zur Welt. Hat es sofort in ihr Herz geschlossen, es Angel genannt und dem kleinen Wesen versprochen, dass es einmal ein besseres Leben führen würde. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie dieses Versprechen jemals halten sollte.
Damals kam dann das Angebot, wir könnten frei sein: Wir müssten nur nach Tasmanien übersetzen und noch einmal zwei Jahre bei Familien als Dienstmädchen arbeiten. Ich zögerte ja, ob ich meinen Schafzüchter wirklich verlassen sollte. Immerhin kam es mir so vor, als ob ich es nicht schlecht getroffen hätte – er behandelte mich wirklich nicht übel. Hat sogar hin und wieder gesagt, dass er sich ein Kind von mir wünschen würde und dass er mich dann auf keinen Fall wieder zurückschicken würde. Ich hab ihm geglaubt.
Aber Kitty … sie wollte nicht, dass Angel jemals mitkriegt, wie ihre Mutter leben musste. Überredete mich, doch mitzukommen. Irgendwann habe ich Ja gesagt. Was für eine dämliche Idee. Heute denke ich hin und wieder, dass mich mein Schafzüchter bestimmt irgendwann geheiratet hätte. Der war viel zu ehrlich, der konnte doch gar nicht lügen. Dann wäre ich heute eine ehrbare Frau irgendwo in Port Jackson oder so. Sollte aber nicht sein. Damals bin ich los, habe mich noch für zwei Jahre in Tasmanien verpflichtet und bin dann mit Kitty und ihrer kleinen Angel wieder auf ein Schiff gestiegen. Mein Schafzüchter hat fast geweint, als wir uns verabschiedeten.
Nichts als Unglück hat uns das Schiff nach Tasmanien gebracht. Am Anfang sah das ganz und gar nicht so aus – aber heute weiß ich das. Nichts
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