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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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Hundeschlitten nehmen müssen. Es wird einen sehr strengen Winter geben, das spüre ich.«
    »Mein erster Winter in der neuen Heimat«, erwiderte Hannah versonnen. »Ich weiß gar nicht, wie genau ich mich darauf vorbereiten soll. Meine Freundin in New York denkt, ich wäre verrückt, den Winter in Alaska zu verbringen. Sie zieht Kalifornien vor, da scheint fast immer die Sonne.«
    Ihre Bemerkung löste Heiterkeit bei den Anwesenden aus und ließ sogar den Häuptling für einen Moment schmunzeln. Er wurde aber gleich wieder ernst. Zu tief schien die Angst vor den bösen Geistern zu sitzen. Er brummte missmutig.
    »Buddy Hyman richtet euch Grüße aus«, fuhr sie unbeirrt fort. »Und er freut sich darauf, euch beim nächsten Mal wieder besuchen zu können.« Sie öffnete den Leinenbeutel. »Er hat mir ein Päckchen für Dorothy mitgegeben.«
    Chief Alex nickte stumm, das Zeichen für seine Tochter, eine schlanke Frau mit halblangen schwarzen Haaren, das Mädchen hereinzuholen. Hannah reichte dem Häuptling wortlos das Päckchen.
    Dorothy betrat den Raum. Sie war gerade sechs geworden, erfuhr Hannah später, und hätte in ihrer schmutzigen Baumwollhose und dem geflickten Pullover eher wie ein Junge ausgesehen, wenn sie nicht so schmächtig gewesen wäre. Ihre dunklen Augen begannen zu strahlen, als sie das Päckchen in den Händen ihres Großvaters sah. »Für mich, Großvater? Das Geschenk, das du mir an meinem Geburtstag versprochen hast? Es ist endlich gekommen?«
    »Ja, mein Kind«, antwortete Chief Alex. Aus seinen Augen war die Härte gewichen, die er Hannah gezeigt hatte, und in seinem Blick war nichts als Liebe, als er seiner Enkelin das Päckchen reichte. »Für dich, liebe Dorothy!«
    In dem dämmrigen Licht, das durch die Fenster fiel, packte Dorothy das Päckchen aus. »Großvater!«, freute sie sich, als ein brauner Teddybär zum Vorschein kam. »So einen hab ich mir immer gewünscht! Ich werde ihn Darling nennen, so heißt der kleine Teddybär in meinem Bilderbuch. Das weiß ich von Adam, der hat mir das Buch schon viele hundert Mal vorgelesen.«
    Hannah nahm an, dass sich Chief Alex über einen indianischen Namen gefreut hätte, aber nicht einmal er selbst trug einen indianischen Namen. In den Schulen der größeren Dörfer war es den Kindern sogar verboten, in ihrer Muttersprache zu sprechen. Nur wenn sie den Weg der Weißen gingen, würden sie zurechtkommen, glaubte man im Indianerbüro.
    »Den muss ich gleich den anderen zeigen!«, rief Dorothy und rannte mit dem Teddybär nach draußen. »Hey … Seht mal, was ich hier habe!« Sie klang tatsächlich wie ein weißes Mädchen, nur ihre Kleidung war älter und noch schäbiger als die der armen Kinder auf der Lower East Side in New York.
    Die Mutter des Mädchens bot Hannah etwas zu essen an, und sie nickte dankbar. Abzulehnen wäre unhöflich gewesen. Die Suppe war dünn und kaum gewürzt, und es fiel ihr schwer, beim Essen zu lächeln und zu sagen: »Die Suppe schmeckt gut. Ich danke euch für eure Gastfreundschaft.«
    Chief Alex wartete, bis sie fertig gegessen hatte, und zündete sich eine Pfeife an. Diesmal ließ er sie nicht daran ziehen. »Ist der Mann wieder weg?«
    Sie wusste, auch ohne dass er den Namen des Biologen nannte, wen er meinte. »Ja, Großvater. Er ist wieder nach Hause geflogen. Ihr habt nichts von ihm zu befürchten.« Das war natürlich gelogen, und sie wusste es, brachte es aber nicht übers Herz, ihre Befürchtungen mit dem alten Mann zu teilen. Allein der Verdacht, eine Firma könnte die Wälder abholzen lassen und ihren Lebensraum bedrohen, würde die Indianer zu Tode erschrecken. »Er kommt nicht wieder.«
    »Er hat dich belogen. Ich weiß nicht, warum, aber er hat es getan.«
    Sie war froh, dass in dem Blockhaus keine Lampe brannte und das Licht, das durch die Fenster hereinfiel, so düster war, dass man nicht sah, wie sie erblasste. »Du irrst dich, Großvater.« Sie wählte ganz bewusst die respektvolle Anrede. »Warum sollte er mich belügen? Er wollte die Tiere und die Pflanzen in unserem Tal kennenlernen, er war nicht von bösen Geistern besessen.«
    »Er hat den Boden für sie bereitet«, widersprach Chief Alex, »so war es auch vor vielen Jahren, als der große Goldrausch begann. In meinen Träumen habe ich gesehen, wie sich der dunkle Schatten eines Flugzeugs über unser Dorf legte. Keine der roten Maschinen, die bisher zu uns kamen, ein größeres Flugzeug, in dem Platz für mehrere Leute ist. Die dunklen Schatten

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