Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)
Zeiten.
Es geht um eine Kellnerin, die nicht studieren darf, weil ihr Bruder wegen staatsgefährdender Hetze im Knast sitzt. Die Kellnerin, Angelika Waller, verliebt sich in den Richter, der ihren Bruder verknackt hat, trennt sich aber von ihm, als sie erfährt, wer er ist. Auch in diesem Film spielte ich eine Nebenrolle. Wolfgang Kohlhaase hatte das Drehbuch verfasst. Etliche seiner Drehbücher durften nicht realisiert werden. Er hat unermüdlich weiter gearbeitet und auch nach der Wende tolle Filmszenarien geschrieben, zum Beispiel Sommer vorm Balkon, Whisky mit Wodka, Die Stille nach dem Schuss.
Man könnte noch einige der verbotenen Filme aufzählen, Karla zum Beispiel, wieder mit Jutta Hoffmann, oder – der berühmteste – die Spur der Steine mit Manfred Krug. Wie gesagt, es war eine halbe Jahresproduktion der DEFA , die da verschwand.
Lange nach diesem Kahlschlag erlebte auch ich mit einer Hauptrolle, dass »mein« Film weggeschwiegen wurde.
1986 drehte Siegfried Kühn nach eigenen Erlebnissen den Film Kindheit : Ein niederschlesisches Dorf im letzten Kriegsjahr, der neunjährige Alfons wächst bei seiner Großmutter auf, der Omamutter, die mit fester Hand einen kleinen Bauernhof führt. Eines Tages erscheint ein Schweinedompteur mit seinem Wanderzirkus, der das Dorf und die Omamutter durcheinanderbringt. Ich spielte diese Omamutter, Fritz Marquardt den Schweinedompteur Nardini, an der Kamera Peter Ziesche.
Kindheit liefnur eine Woche lang in Berlin, dann kurze Zeit in einigen Kreisstadt-Kinos. Über Schlesien und Vertriebene durfte damals nicht geredet werden. Der Preis als Beste Hauptdarstellerin auf dem 5. Spielfilmfestival der DDR 1988 hat mich wenigstens ein bisschen über die fehlende Öffentlichkeit hinweggetröstet.
Es ist eine liebevoll erzählte Geschichte, und die Rolle war ein Traum. Allerdings kamen mir beim Lesen des Drehbuches Zweifel – und auch Ängste. Ich sollte Hühner schlachten, ein Schwein ausnehmen, eine geschlachtete Taube zusammennähen, kutschieren und andere mir keineswegs vertraute Arbeiten erledigen. Und doch, ich wollte das alles schaffen.
Von einer Familienfirma, die Tiere für Filme dressierte, bekamen wir nicht nur die Pferde und Schweine, sondern auch ein Hühnervolk mit zwei Hähnen. Einer war der Lieblingshahn des kleinen Sohnes der Familie, der mit am Set war. Ich lernte unter Anleitung eines Tierarztes, wie man ein Huhn mit zwei Handgriffen schlachtet. Das tat ich tapfer.
Am Abend checkten wir das Material und entdeckten: Fussel. Fussel bedeutet, die Einstellung noch mal drehen, auf dem Film ist etwas, das da nicht hingehört. Es war ausgerechnet die Schlachte-Szene, die wiederholt werden musste. Das hieß, der Lieblingshahn musste dran glauben. Eine schreckliche Situation, der Junge tat mir unendlich leid, er weinte so bitterlich, dass ich mitheulte.
In einer Szene will Nardini die Omamutter überzeugen, mit ihm zu gehen und fortan in seinem Zirkus aufzutreten. Wie, das wollte er ihr gleich mal zeigen: Er befahl Alfons, alle verfügbaren Küchenmesser zu holen, und der Omamutter, sich vor eine Holzwand zu stellen. Und dann warf er Messer für Messer um sie herum.
Ein professioneller Messerwerfer doubelte Fritz Marquardt, ich ließ mich natürlich nicht doubeln. Wir übten das in den Drehpausen. Zuerst warf der Mann die Messer nur um meine mit Kreide an die Wand gemalten Körperumrisse, langsam sollte ich Vertrauen zu ihm und dem Vorhaben fassen. Wir wollten die Szene nur einmal drehen. Ich stand also im entscheidenden Moment vor einem Scheunentor, die Arme ausgebreitet, die Finger in Mauerritzen gekrallt. Zehn Messer klackten zitternd dicht neben mir ins Holz. Das elfte nagelte mich am Ohr an der Wand fest.
Ich begriff nicht gleich, wo ich getroffen war. Sah, wie alles panisch kreischend durcheinanderrannte. Dann der mörderische Schmerz. Nicht umkippen, ganz still stehen bleiben, hämmerte es in meinem Kopf. Ich stand also im wahrsten Sinne des Wortes angenagelt da. Spürte, wie meine linke Wange anschwoll und zu platzen drohte, fühlte das warme Blut am Hals herunterlaufen.
Zur Sicherheit oder in weiser Voraussicht hatte die Produktion einen Krankenwagen bereitstellen lassen. Der Sanitäter kam angerannt, entfernte das Messer und verpasste mir einen Druckverband. Dann raste er mit mir – Siegfried Kühn blieb an meiner Seite – mit Blaulicht in das nächstgelegene Krankenhaus, das war in Nauen.
Der Sanitäter kündigte uns per Funk im Krankenhaus an
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