Im Leben wird dir nichts geschenkt.
lachten über meine ersten Versuche, und wie komisch sie bei diesem schlaksigen, weißen Teenager gewirkt haben mussten. Sie konnte kaum glauben, dass ich das durchgezogen hatte, und ich fragte mich selbst, was ich mir dabei gedacht hatte – ich liebte einfach ihre Musik. Und es lief gut. Auf dieser Schulbühne fühlte ich mich einfach wie ein Rockstar. Ich war in den Bassgitarristen – Christian – verliebt, während Thomas mich hasste (aber was sollte ich machen?). Meine Eltern waren gekommen, um mich bei einem Auftritt zu sehen, und ich war so stolz. Sie kamen nie zu den Elternabenden, die zwei Mal im Jahr stattfanden, um zu sehen, wie ich in meinen schulischen Leistungen vorankam, doch an diesem Abend saßen sie endlich im Publikum.
Als sie mich da vorne sah, dämmerte es meiner Mutter, dass ich in meinem Leben etwas anderes tun würde. Sie hatte immer gewusst, dass ich intelligent bin und gerne lese, und sie hatte mir die Stelle in der Bibliothek verschafft. Eine Weile arbeitete ich am selben Tag in der Woche in der Bücherei und in der Bäckerei, und beides machte mir Spaß. Meiner Mutter schwebte vor, dass ich an die Uni gehen und etwas Solides aus mir machen würde, und sie hatte keinen Grund zu der Annahme, dass ich andere Vorstellungen vom Leben hatte; ich liebte Bücher, und liebe sie bis heute.
Nach meiner Performance bahnte ich mir schnell einen Weg zu meinen Eltern, doch meine Mum war still, und ihr standen die Tränen in den Augen. »Gitte, du wirst für den Rest deines Lebens auf der Bühne stehen! Da bin ich mir ganz sicher!«, sagte sie. »Du wirst nie Bibliothekarin.« Ein größeres Kompliment hätte ich mir zwar nicht wünschen können, doch sie war schockiert zu sehen, wie sehr ich darin aufging, weil ich mich bisher so sehr ins Lesen vergraben hatte; ich hatte sogar für Leute, die selbst nicht lesen konnten, Hörkassetten besprochen, und als kleines Kind hatte ich den anderen Kindern in meinem Alter vorgelesen – ich war ein Naturtalent.
Doch jetzt war ich dem Adrenalinkick verfallen, den eine Live-Vorführung mit sich bringt. Ich sah mich im Stillen schon auf der Bühne, wo ich vor Tausenden Fans, die meinen Namen schreien, meine eigenen Songs singe. Ich würde in einer Limousine reisen und wäre ein großer Star. Ein bisschen von diesem Ruhm sollte ich bekommen, doch nicht mit meiner Musik, wie ich mir damals erhoffte.
Ein paar Mal habe ich versucht, es in dieser Welt zu etwas zu bringen, doch ich hatte wohl nicht die Energie oder den Antrieb. In meiner Jugend bedeutete mir Musik alles. Meinen Lieblingssong aus der Zeit kannte man nicht außerhalb von Dänemark. Er hieß »Lidt Til Og Meget Mer« aus dem Film Mig og Charly , dessen Text wie aus meinem Leben gegriffen war. Und zwar sehr konkret. Bis heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich ihn lese. Den Song hatte Kasper Winding geschrieben, ein Musiker, der aus einer unglaublich talentierten und in Dänemark sehr berühmten Familie stammte. Kasper arbeitete mit allen, von Bryan Ferry bis zu Frank Zappa, doch ich, diese eifrige junge Sängerin, die ihre ersten musikalischen Gehversuche machte, konnte damals nicht ahnen, dass ich binnen fünf Jahren mit ihm verheiratet sein würde.
KAPITEL SECHS
DIE GROSSE, WEITE WELT
E s hielt mich ganze zwei Tage an der Universität. Die Zulassung verdankte ich sehr guten Abschlussnoten, doch ich hätte genauso gut an der Schule bleiben können. Ein Studium war zwar genau das, was sich meine Eltern für mich erhofft hatten, aber wie am Gymnasium wurde ich wieder unverhohlen angestarrt, und ich sah klar, dass ich so etwas kein zweites Mal durchstehen würde. Ich fand das alles unerträglich und wollte mich nie wieder auf die Rolle der Giraffe einlassen, die sich vergeblich um Anerkennung bemüht. Ich wusste nicht einmal mit Sicherheit, was ich studieren sollte.
Ich war gerade mal sechzehn, reichlich jung für ein Universitätsstudium, und die Arbeit als Model bot mir eine naheliegende Alternative. Wenn ich für ein paar Jahre Dänemark verließ und nebenbei ein paar Fremdsprachen lernte, so dachte ich, würde mir das nach meiner Rückkehr für den Studienabschluss Pluspunkte einbringen. Meine Entscheidung stieß bei meinen Eltern nicht gerade auf Begeisterung, aber wir kamen überein, dass ein paar Jahre Berufs- und Auslandserfahrung mir helfen würden, herauszufinden, was ich eigentlich studieren wollte. So erhielt ich ihren Segen.
Für die pragmatische Einstellung meines Vaters war ich ihm
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