Im Leben wird dir nichts geschenkt.
hatten sie mich ja missverstanden – ich war Trinkerin, keine Mörderin! Doch während die glamouröseren Entzugskliniken mehr Luxus boten, war bei ihnen auch die Rückfallrate bei den Patienten viel höher. Später fand ich heraus, dass ich mir die strengste Einrichtung in ganz Kalifornien ausgesucht hatte – mit der höchsten Erfolgsrate darin, die Leute von der Droge wegzubringen.
Die ersten fünf Tage waren unglaublich hart. Um es gleich zu sagen: Ich wollte mit jeder Faser meines Körpers von der Droge wegkommen. Sie gaben mir Valium zur Entspannung, und die Gifte wurden freigesetzt; sie sagten, ich sollte in den nächsten Tagen nicht versuchen, einen geregelten Tageslauf einzuhalten, sondern mich dem, was in meinem Körper vor sich geht, überlassen. Gleichzeitig wachten die Ärzte unablässig über meine Organfunktionen. Sie ermunterten mich, soviel wie möglich zu essen, damit ich für die bevorstehenden Behandlungen stark genug sei, was alles ziemlich unheilvoll klang.
Dabei war ich gar nicht mal so schlecht in Form. Mein Körper war nicht so vergiftet, wie man hätte vermuten können, und so litt ich unter keinerlei physischen Entzugserscheinungen. Ich hatte ausschließlich mit der psychologischen Wirkung zu kämpfen. Die ganze Zeit hatte ich die Schreie der Mädchen in den Ohren, die auf Entzug von Heroin oder anderen harten Drogen waren. Zum ersten Mal war ich mit einem Spektrum der Gesellschaft konfrontiert, mit dem ich noch nie zu tun gehabt hatte und das mir zuweilen Angst einflößte. So schlimm die Dinge mit mir auch stehen mochten, ich konnte dennoch von Glück sagen, dass ich weit besser dran war als sie.
Ich möchte betonen, dass ich, wenn ich hier darüber schreibe, niemanden davon abschrecken will, in eine Entzugsklinik zu gehen. Ich wusste vorher nicht, was für eine strenge Behandlung mir bevorstand, und als die Ärzte erfuhren, dass ich mich der Prozedur freiwillig unterzog, nickten mir ein paar von ihnen anerkennend zu. Wenn man darüber liest, mag das alles ziemlich einschüchternd klingen, doch wenn man an einer Sucht leidet, kann ich ihnen versichern, dass dieses Programm ganz bestimmt nicht schlimmer ist, als das, was sie bereits durchgemacht haben. Es gibt keinen Grund zur Panik, doch ich möchte ein wenig von dem vermitteln, was in einer solchen Einrichtung passiert. Die Klinik verfügte über einen winzigen Außenbereich, der einzigen Möglichkeit für die Patienten, ein bisschen frische Luft zu schnappen oder eine Zigarette zu rauchen. Wir waren wie Tiere, die in einem kleinen Gehege im Zoo gehalten wurden. Einige der anderen Frauen sahen so todkrank aus, dass sie mit Sicherheit ihren nächsten Geburtstag nicht erleben würden, falls sie die Behandlung nicht bis zu Ende durchstanden. Das war für mich ein Alarmsignal – es machte mir bewusst, dass auch ich auf dem Weg dorthin war. Allerdings starben diejenigen, die sich Heroin oder andere Drogen spritzten so viel schneller als viele Alkoholiker. Die Erinnerung an die Menschen, die ich dort kennenlernte, wird mir für immer ins Gedächtnis eingebrannt sein. Ich bekam eine Decke wie beim Militär zugeteilt, unter der ich schlief, und Punkt sieben Uhr morgens wurden wir geweckt. Wir hatten fünf Minuten, um aus dem Bett zu springen, das Bett zu machen, in unsere Sachen zu schlüpfen, die Schuhe hervorzuholen und anzuziehen. Unsere Schränke mussten so sauber und ordentlich sein, dass sie die tägliche Überprüfung bestanden, während wir warteten, zum Frühstück gebracht zu werden. Es wurde in der Cafeteria gereicht, wo wir uns mit einem Tablett anstellten, bevor wir in völligem Schweigen aßen. Auch wenn das Valium mir half zu schlafen, wachte ich häufig von den Schreien der anderen drei Mädchen auf, mit denen ich das Zimmer teilte. Ich fühlte mich wie in einer Irrenanstalt. Sie machten seltsame Dinge, und ich hatte ständig Angst, dass eine von ihnen mich oder jemanden vom Personal attackieren könnte.
Die Tage vergingen in eintöniger Gleichförmigkeit. Anfänglich aß ich nur wenig und spülte mit dem Getränk die Medikamente herunter, die vermutlich dazu dienten, meinen Organismus zu reinigen. Ich verging wieder vor Selbstmitleid – ich hatte ja genügend Zeit, darüber nachzudenken, wie ich hier gelandet war – und genau das war der Anfang meiner Behandlung. Ein anderer Patient, mit dem ich ins Gespräch kam, war ein junger Mann, der sich kaum noch an die Zeit erinnern konnte, als er noch keine Drogen genommen
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