Im Licht der roten Erde
bereit, um nicht zu sagen sogar ganz erpicht darauf, den Fall Ihres Freundes zu erörtern. Ich wollte lediglich klarstellen, dass dieser Fall aus vielerlei Gründen kein leichter sein wird. Wenn Sie in mein Büro kommen und sich mit mir darüber unterhalten möchten …«
Sie hatten einen Termin vereinbart. Susan war im Internet noch einmal die Zeitungen durchgegangen, doch bislang war nichts über den Vorfall erschienen.
Beth Van Horton blickte die junge Frau, die ins Besprechungszimmer stürmte, von oben bis unten an. Sie sah zu jung aus, zu energiegeladen und zu eifrig – eine Frau, der Hingabe, Ernsthaftigkeit und Idealismus aus jeder Pore sprangen. Eine, die begierig darauf war, sich einen Namen zu machen, die mehr Ahnung hatte, als die Leute vermuteten, weit über ihr jugendliches Alter hinaus qualifiziert war und nicht bereit, nur bescheiden zuzuhören.
Susan spürte die Woge des Urteils und der Feindseligkeit im selben Moment, in dem sie das Besprechungszimmer betrat. Sie rief sich innerlich zur Ruhe, atmete tief ein und schaltete bewusst einen Gang zurück. Bethany Van Horton war eine Herausforderung. Dieser Fall würde nicht leicht mit einer Beschützerin wie ihr in den Kulissen.
Sie gaben sich die Hand und setzten sich. Susan kam sofort zum Wesentlichen. »Miss? Mrs.? Van Horton, darf ich Sie fragen, in welcher Beziehung Sie zu dem, ähm, Angeklagten stehen?«
»Miss, wenngleich ich diese Anrede hasse. Ich bin nicht verheiratet, war es nie, außer mit der Kirche – eine kurze Zeit. Nennen Sie mich Beth. Ich bin eine Freundin von Nigel Barwon.«
Sie klang versöhnlich, und Susan entspannte sich ein wenig. Nichtsdestotrotz hatte sie Bethanys Satz über die Kirche neugierig gemacht. »Mit der Kirche verheiratet … bedeutet das, was ich denke?«
»Ja. Aber das ist eine andere Geschichte«, sagte Beth Van Horton entschlossen. »Lassen Sie uns über Barwon sprechen.«
»Sehr gern. Ich muss Ihnen diese Frage stellen. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für impertinent, doch noch einmal: In welcher Beziehung stehen Sie zu Mr. Barwon?«
Beth war erleichtert über die plötzliche Einfühlsamkeit der jungen Rechtsanwältin. Sie rang sich zu einem halben Lächeln durch. »Er ist nicht mein Geliebter. Shirley Bisson kenne ich auch. Doch dazu später. Ich stehe mit der Gemeinschaft der Aborigines in Beziehung, und es quält mich zu sehen, wie falsch sie dargestellt werden. Diese Leute bedeuten mir sehr viel.«
»Darf ich fragen, warum?«
Beth Van Horton straffte unmerklich die Schultern, hob das Kinn und strich ihr von grauen Strähnen durchzogenes blondes Haar hinters Ohr. Ihre kraftvolle Persönlichkeit vermittelte Susan das Gefühl, zerbrechlich und ein wenig unkoordiniert zu sein. Keine vertraute Empfindung.
Beth’ klare blaue Augen bohrten sich in Susans. »In den vergangenen zwanzig Jahren war ich bei den Barradja in der Kimberley tätig, als Ratgeberin, Freundin, Lehrerin und Verbindungsbeamtin der Regierung von Westaustralien, außerdem im Auftrag des
land council.
Doch ich komme ziemlich regelmäßig nach Sydney und Melbourne.«
»Und vermutlich nach Canberra«, sagte Susan mit einem Lächeln.
Beth winkte abschätzig ab. »Hab den Lobbyismus schon vor Jahren aufgegeben. Ist zu anstrengend, etwas mit Politikern anzuleiern. Besser man arbeitet bei Organisationen und einflussreichen Einzelpersonen und kommt mit Konzepten und Vorschlägen, die helfen, Probleme zu lösen; anschließend rückt man, wenn möglich, die zentralen Themen in den Mittelpunkt. Wie sollen denn die in Canberra wissen, was wirklich Sache ist in der Kimberley? Die Politiker besuchen eine Gemeinschaft und setzen sich wieder ins Flugzeug, doch so verschaffen sie sich kein richtiges Bild.«
»Was für eine Rolle spielen Sie?«, fragte Susan ruhig und versuchte, sie aufs eigentliche Thema zurückzulenken.
»Persönlich, beruflich oder in diesem speziellen Fall?«
Warum macht sie es mir so schwer?, dachte Susan. Warum kann sie nicht einfach meine Fragen beantworten? Es war wie ein Test. Wenn diese Frau eine Art Indiz war, lagen schwere Zeiten vor ihr – falls sie den Fall übernahm. »Erzählen Sie mir, was ich Ihrer Meinung nach wissen sollte«, sagte sie, ohne ihre Verstimmtheit zu verbergen.
Beth schien zu merken, dass sie abgeschweift war. »Barwon kam als Mischling in einer abgelegenen Siedlung in der Kimberley auf die Welt. Als er fünf Jahre alt war, nahm sein Vater eine Stelle als Bauarbeiter beim
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