Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
und ihr Leben bedroht hätte.
Noch ärgerlicher war, dass Remington die Tat nicht nur freimütig gestanden hatte, sondern auch noch laut hinausgebrüllt hatte, dass er seine Frau umbringen wolle. Er hatte etwas von »bis dass der Tod uns scheidet« gebrabbelt und sich dann ausführlich über die dringende Notwendigkeit ausgelassen, dass ehebrecherische Hexen verbrannt werden müssten.
Natürlich hatte er sich auch noch lauthals über eine Menge anderer Themen geäußert. Über glühende Augen, blaue Blitze und über Schlangen, die angeblich unter seiner Haut herumkrochen.
Mit Hilfe der bekannten Beweislage, der Zeugenaussagen und seines eigenen irren Geschwafels hatte er es schließlich geschafft, sich auf Dauer eine Zelle in der geschlossenen und bewachten Abteilung der Klapsmühle zu sichern.
Am Revers von Hardings maßgeschneidertem Jackett baumelte sein Besucherausweis. Seine Krawatte, die wie sein Anzug exakt den Grauton von Steinkohle hatte, war zu einem perfekten Knoten gebunden und um einige Schattierungen dunkler als sein Hemd.
Sein Haar war dunkel, von feinen silbernen Fäden durchzogen, sein Haarschnitt sorgfältig auf sein kantiges, rotwangiges Gesicht abgestimmt. Seine Züge waren grob, und seine dunkelbraunen Augen schienen fast völlig zu verschwinden, wenn er lächelte. Sein Mund war schmal, und wenn er verärgert war, sah er so aus, als ob er nahezu gar keine Lippen hätte.
Wenn sein Gesicht und seine Stimme, die sich in den höheren Stimmlagen bewegte, nur ein wenig ansprechender gewesen wären, hätte er es vielleicht bis zu einem Job als Fernsehnachrichtensprecher geschafft.
Früher hatte er nach einem solchen Job gelechzt, so wie andere Jungen danach gelechzt hatten, einmal eine weibliche Brust berühren zu dürfen. Lustvoll, gierig. Aber die Fernsehkameras waren ihm nicht gewogen gewesen. Sie betonten nur noch seine unvorteilhaften Züge und ließen seinen kurzen, gedrungenen Körper wie einen Baumstumpf aussehen.
Und seine Stimme – das hatte ihm einmal ein scharfzüngiger Tontechniker gesagt – klänge, als ob man einer verletzten Gans ein Mikrofon vorhielte.
Dieser grausame Verlust seines Kindheitstraums hatte Harding jedoch zu dem Printmedien-Journalisten werden lassen, der er jetzt war: schonungslos und eiskalt.
Er horchte auf das Echo, als Schlüssel in Schlössern herumgedreht und schwere Türen geöffnet wurden. Er würde nicht vergessen, dieses unheimliche Echo zu beschreiben, wenn er über seinen Besuch berichtete, über das hohle Klirren von Metall auf Metall, die ausdruckslosen Gesichter des Wachpersonals und der Ärzte, über den seltsam süßlichen Geruch des Irrsinns.
Nun wartete er vor einer weiteren Tür. Dies war die letzte Schleuse. Neben der Tür saß ein Wachmann mit einer Reihe von Monitoren vor sich.
Die Insassen dieser Abteilung, so hatte man Harding informiert, wurden rund um die Uhr überwacht. Wenn er sich mit Remington traf, würde er ebenfalls beobachtet werden. Was unter diesen Umständen doch ein beruhigender Gedanke war, wie er zugeben musste.
Denn seine Stärke zeigte sich nicht in Muskelkraft, sondern, so sah er es zumindest, in seinen intellektuellen Fähigkeiten.
Die letzte Tür wurde geöffnet, und Harding wurde noch einmal daran erinnert, dass er nur dreißig Minuten Zeit hatte.
Er war entschlossen, das Beste daraus zu machen.
Dieser Evan Remington war nicht mehr der Mann, den Harding von den glänzenden Seiten der Illustrierten und Klatschmagazine kannte oder der in schillernden Farben auf dem Fernsehbildschirm zu sehen gewesen war. Remington saß, in einen grell orangefarbenen Overall gekleidet, kerzengerade auf einem Stuhl. Um seine Handgelenke lagen Handschellen.
Sein Haar, früher eine golden schimmernde Mähne, war nun kurz geschoren und von einem stumpfen Gelb. Das ehemals
attraktive Gesicht wirkte aufgedunsen. Vom Anstaltsessen, von Medikamenten oder vielleicht auch deshalb, weil ihm die gewohnten Behandlungen im Schönheitssalon fehlten. Wahrscheinlich ist es eine Kombination aus allen diesen Faktoren, dachte Harding. Remingtons Mund wirkte schlaff und konturlos, seine Augen blickten so leer und tot wie die einer Puppe.
Vermutlich haben sie ihn mit Beruhigungsmitteln voll gepumpt, dachte Harding. Man nehme einen Durchschnittspsychopathen, füge ein paar Psychosen und eine Portion Gewalttätigkeit hinzu, und schon regt sich niemand mehr über den Einsatz von Drogen auf.
Harding musste zugeben, dass er nicht damit gerechnet
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