Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
hatte, sich den Weg zu Remingtons Gehirn erst durch einen Nebel von Chemikalien bahnen zu müssen.
Der Wachmann an der Tür hinter Remingtons Rücken sah jetzt schon gelangweilt aus. Harding nahm auf einer Seite des Trenngitters Platz und fixierte Remington durch die Stäbe hindurch. »Mr Remington, mein Name ist Harding. Jonathan Q. Harding. Ich nehme an, Sie erinnern sich an unsere Verabredung.«
Keine Reaktion. Harding fluchte innerlich erbittert. Hätten sie mit diesen verdammten Pillen nicht wenigstens so lange warten können, bis er sein Interview gemacht hatte?
»Mr Remington, ich habe mich gestern mit Ihrer Schwester unterhalten.« Wieder keine Reaktion. »Barbara, Ihre Schwester?«
Aus Remingtons Mundwinkel rann langsam ein dünner Spuckefaden. Harding wandte angewidert den Blick davon ab, peinlich berührt in seinem Reinlichkeitsempfinden.
»Ich hatte gehofft, dass wir uns ein wenig über Ihre ExFrau unterhalten könnten und darüber, was in jener Nacht, als Sie fest genommen wurden, auf Three Sisters Island passiert ist. Ich arbeite für First Magazine.«
Oder zumindest arbeitete er momentan noch für dieses Magazin. Die Herausgeber wurden für seinen Geschmack nämlich allmählich etwas zu anspruchsvoll und drehten jeden Penny zweimal um, bevor sie ihn ausgaben.
»Mr Remington, ich möchte einen Bericht über Sie veröffentlichen. Um einmal Ihre Sichtweise der Geschehnisse darzustellen. Und auch Ihre Schwester würde es sehr begrüßen, wenn wir uns ausführlich unterhielten.«
Das entsprach zwar nicht so ganz der Wahrheit, aber er hatte sie immerhin davon überzeugen können, dass ein Interview mit Remington ihn in der Öffentlichkeit in einem etwas besseren Licht erscheinen lassen könnte. Und das könnte ihr wiederum bei ihrer Klage von Nutzen sein, mit der sie durchsetzen wollte, dass ihr Bruder in eine private Anstalt verlegt wurde.
»Ich könnte Ihnen helfen, Mr Remington. Evan«, korrigierte er sieh. »Ich möchte Ihnen helfen.«
Wieder bekam er nur diesen starren, toten Blick zur Antwort. Und diese vollkommene Leere, die aus Remingtons Augen strahlte, schien förmlich über Hardings Haut zu kriechen.
»Ich beabsichtige, mit jedem Einzelnen, der mit dieser Geschichte zu tun hatte, ein Interview zu führen. Ich möchte mir von den Ereignissen gerne ein vollständiges Bild machen können. Ich werde auch mit Ihrer Exfrau sprechen. Ich werde ein Interview mit Helen arrangieren.«
Bei der Erwähnung dieses Namens flackerte hinter den dunklen, stumpfen Augen flüchtig etwas auf.
Aha, dann ist also doch jemand zu Hause, dachte Harding und beugte sich leicht vor. »Soll ich Helen irgendetwas von Ihnen ausrichten? Haben Sie vielleicht eine Nachricht, die ich Helen überbringen soll?«
»Helen.«
Remingtons Stimme klang heiser, kaum lauter als ein
Flüstern. Harding hatte plötzlich das Gefühl, als streiche ihm ein eiskalter Finger über den Rücken.
»Helen. Richtig. Ich werde mich schon sehr bald mit Helen treffen.«
»Ich habe sie getötet.« Der eben noch schlaff herabhängende Mund verzog sich ganz plötzlich zu einem strahlenden Lächeln. »Im Wald. In der Dunkelheit. Ich töte sie jede Nacht, denn sie kommt immer wieder zurück. Dann lacht sie mich aus, aber ich töte sie immer wieder.«
»Was ist in der besagten Nacht im Wald passiert? Was ist mit Helen passiert?«
»Sie ist vor mir weggelaufen. Sie ist nämlich verrückt, wissen Sie? Wieso wäre sie sonst weggelaufen, wieso hätte sie sonst geglaubt, dass sie mir entkommen könnte: Ich musste sie einfach töten. Ihre Augen haben gebrannt.«
»Wie blaue Blitze? Haben ihre Augen wie blaue Blitze geleuchtet?«
»Das war nicht Helen.« Remingtons Blick aus dunklen Augen schoss blitzschnell hin und her, schwarze Vögel im Flug. »Helen war still und gehorsam. Sie wusste, wer das Sagen hatte. Doch, das wusste sie.« Während er erzählte, begann er mit den Fingern an den Armlehnen seines Stuhls zu kratzen.
»Wer war es dann?«
»Eine Hexe. Sie ist aus der Hölle gekommen, da kommen sie alle her. Und so viel Licht, so entsetzlich viel Licht. Sie haben mich geblendet, und sie haben mich verhext. Schlangen, unter meiner Haut sind Schlangen. Und Kreise aus Licht. Und Kreise aus Blut. Können Sie sie denn nicht sehen?«
Für einen kurzen Moment konnte Harding sie tatsächlich sehen. Als würde er durch Fensterglas hindurchblicken, ein grauenvoller Anblick. Er musste ein Schaudern unterdrücken. »Wer sind diese Wesen denn?«
»Sie
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