Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
Reichtum bin.
Andere hatten es so gemacht – hatten ihre Sachkenntnis oder ihr Steckenpferd in ein Buch mit Hochglanz-Cover und astronomischen Verkaufsziffern verwandelt. Also, warum sollte er das dann nicht auch können?
Warum vergeudete er seine Zeit und seine beachtlichen Fähigkeiten mit Zeitschriftenartikeln? Statt dass er Larry King wegen eines Interviews nachlief, würde Larry King in Zukunft bereitwillig zu ihm kommen.
In seinem Inneren war eine Stimme erwacht, von deren Existenz er bisher überhaupt nichts gewusst hatte, und sie flüsterte ihm unaufhörlich zu: Schlag Kapital aus der Sache, räum ganz groß ab!
Und genau das hatte er vor.
Er sammelte Leckerbissen von Informationen, delikate Häppchen von Vermutungen und harte Brocken von Fakten aus Polizeiberichten und begann, Helen Remingtons – jetzt Nell Channing Todds – Spur zu folgen.
Er führte eine interessante Unterhaltung mit einem Mann, der behauptete, ihr das gebrauchte Fahrrad verkauft zu haben, das sie als erstes Transportmittel benutzt hatte, und stellte anschließend eine Reihe von Fragen im Busbahnhof von Carmel, wo ihm die Beschreibung des Fahrrads bestätigt wurde.
Helen Remington hatte ihre lange Reise auf einem blauen Fahrrad mit Sechsgangschaltung angetreten.
Er malte sich aus, wie sie die Hügel hinauf- und hinuntergefahren war, sich auf dem Ding abgestrampelt hatte. Sie hatte eine Perücke getragen – einige behaupteten, sie sei rot gewesen, andere wiederum sprachen von einer braunen Perücke. Harding tippte auf die braune. Rotes Haar wäre ziemlich auffällig gewesen, und Helen Remington hatte ganz sicher nicht auffallen wollen.
Er verbrachte mehr als zwei Wochen damit, Erkundigungen einzuziehen, Spuren zu folgen und Hinweisen nachzugehen, die sich schließlich als falsch herausstellten, bis er endlich seinen ersten Treffer in Dallas landete, wo Nell Channing ein einfaches Motelzimmer mit Kochnische gemietet und eine Arbeit als Fastfood-Köchin in einem billigen Fresslokal angenommen hatte.
Der Name der Kellnerin war Lindamae – und so stand es auch auf dem Namensschildchen, das an dem Oberteil ihrer bonbonrosa Uniform steckte. Sie machte ihren Job schon seit dreißig Jahren, wie sie Harding bereitwillig verriet, und sie schätzte, dass sie in dieser Zeit genügend Tassen Kaffee eingeschenkt hatte, um den ganzen verdammten Golf von Mexiko damit zu füllen. Sie war zweimal verheiratet gewesen und hatte beide Mistkerle schließlich mit einem Tritt in ihren faulen Hintern vor die Tür gesetzt.
Sie hatte eine Katze namens Snowball, hatte die Schule bis zur zehnten Klasse besucht und sprach in einem texanischen Tonfall, so scharf, dass man Diamanten damit hätte schneiden können.
Und sie hatte nichts dagegen, sich für ein paar Minuten hinzusetzen, um mit einem Reporter zu reden. Und sie hatte auch keine Skrupel, das Angebot eines Zwanzigers für ihre Zeit und Mühe anzunehmen. Lindamae steckte den Geldschein genau dorthin, wo man es bei ihr vermuten würde. Nämlich in das üppige Körbchen ihres BHs.
Beim Anblick ihres absolut klischeehaften Äußeren – der strohblond gebleichten Haare, die zu einer gewaltigen, krausen Löwenmähne toupiert waren, des drallen Körpers, des schillernd blauen Lidschattens, der fast bis zu ihren Augenbrauen hinaufreichte – fragte sich Harding unwillkürlich, wer ihre Rolle in dem Film spielen könnte, der auf seinem Buch basieren würde. »Ich hab damals zu Tidas gesagt – Tidas ist bei uns der Küchenchef – also, ich hab zu Tidas gesagt, dass das Mädchen irgendwas Komisches an sich hat. Was Sonderbares.«
»Was meinen Sie mit sonderbar?«
»Na, sie hatte so ’nen Ausdruck in den Augen. So ’nen gehetzten Blick wie ein verschrecktes Kaninchen. Hatte Angst vor ihrem eigenen Schatten – und sie hat auch immer die Tür beobachtet. Natürlich wusste ich gleich vom ersten Moment
an, dass sie auf der Flucht war.« Mit einem zufriedenen Nicken zog Lindamae eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Schürzentasche. »Wir Frauen spüren solche Dinge bei unseresgleichen. Mein zweiter Mann hat ein- oder zweimal versucht, mich herumzustoßen.« Sie inhalierte den Rauch, sog ihn tief in ihre Lunge. »Ha! Es war sein Arsch, der ’nen Tritt abbekam. Wenn ein Mann handgreiflich gegen mich wird, sollte er besser eine gute Krankenversicherung haben, weil er nämlich ’ne Menge Zeit in einem Krankenhaus verbringen wird.«
»Haben Sie Nell jemals danach gefragt?«
»Die war ’ne ganz
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