Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

bekommen könnte, wenn ich scharf drauf wäre – oder dass ich weiterhin für Mias Großmutter arbeiten und mich um Mia kümmern könnte. Er ging davon aus, dass ich genug Verstand hätte, um zu wissen, was wichtiger für mich war. Ich habe deinen Daddy immer sehr gemocht.«
    »Das ist ja eine herzerwärmende Geschichte, Lu. Gleich muss ich heulen.«
    Lulu schnaubte und goss den Wein in zwei Gläser, dann setzte sie sich und legte die Füße auf einen der Küchenstühle. »Also, was führt Sie zu mir, Deputy?«
    »Können wir nicht mit einem etwas unverbindlicheren Thema anfangen, damit ich mich dann langsam herantasten kann?«
    »Okay.« Lulu trank einen Schluck von ihrem Wein und lehnte sich entspannt zurück. »Was macht dein Liebesleben?«
    »Das ist ein Teil des Themas, an das ich mich gerade herantasten wollte.«
    »Ich hätte nie gedacht, dass noch einmal der Tag kommen würde, an dem Miss ›Leg los!‹ sich für ein Gespräch über Sex zu mir bequemen würde.«
    Ripley wand sich verlegen. »Himmel, Lu, so nennt mich wirklich keiner mehr.«
    Lulu grinste. »Ich schon. Und ich habe immer deine geradlinige Art bewundert, an die Dinge heranzugehen. Also, was ist? Hast du Kummer mit Männern, Schätzchen?«
    »So was Ähnliches. Aber …«
    »Ein sehr attraktiver Mann. Ausgesprochen lecker, dieser Dr. Booke.« Lulu schmatzte mit den Lippen. Und wackelte mit den Augenbrauen. »Natürlich nicht von der Sorte, die du sonst bevorzugst. Ein bisschen langsam und nachdenklich und ein bisschen der niedliche Typ. Aber nicht so süß, dass er einem in den Zähnen wehtut. Einfach nur ein angenehmer Geschmack. Wenn ich dreißig Jahre jünger wäre …«
    »Ja, ja, ich weiß, dann würdest du ihn selbst einmal kosten.« Beleidigt stützte Ripley das Kinn auf ihre Fäuste.
    »Komm mir nicht so klugscheißerisch. Wie auch immer, es freut mich zu sehen, dass du endlich kapiert hast, dass
auch Intelligenz sexy sein kann. Also, wie ist er denn nun, wenn’s zur Sache geht?«
    »So weit sind wir noch nicht.«
    Dieses Geständnis überraschte Lulu nicht etwa, sondern bestätigte eher ihre Beobachtungen der letzten Zeit. Sie setzte das Glas ab und spitzte die Lippen. »Das habe ich mir schon gedacht und das sagt mir etwas ganz Bestimmtes. Er macht dir Angst.«
    »Ich habe keine Angst vor ihm.« Vorwürfe dieser Art ließen Ripley immer zickig werden, besonders dann, wenn sie auch noch stimmten. »Ich bin einfach nur vorsichtig und lasse mir Zeit. Es ist … kompliziert.«
    Lulu legte die Fingerspitzen aneinander, als wollte sie beten. »Jetzt darfst du mal ein wenig von der Weisheit des Alters kosten.« Ripley musste gegen ihren Willen grinsen. »Wer ist denn jetzt hier der Klugscheißer?«
    »Halt den Mund. Das ganze Geheimnis an der Sache ist doch, dass Sex einfach besser ist, wenn er kompliziert ist.«
    »Warum?«
    »Darum. Schau einfach mal wieder in deinen Bergkristall, dann siehst du die Antwort von ganz allein.«
    »Ich mag ihn wirklich. Ich meine wirklich.«
    »Was ist daran so schlimm?«
    »Nichts. Ich wünschte nur, na ja, dass wir es einfach gleich von Anfang an gemacht hätten, dann gäbe es jetzt nicht all diese Zitterpartien und Unsicherheiten und dieses Weichklopfen und so, und darum ist das jetzt auch alles so …«
    »Wichtig.«
    Ripley stieß scharf den Atem aus der Lunge. »Okay, ja. Wichtig. Und was noch schlimmer ist, ich glaube, er weiß, dass es wichtig ist, und wenn er das weiß, dann heißt das, dass ich, wenn es denn mal so weit ist, die Sache nicht mehr richtig unter Kontrolle haben werde.«
    Lulu lächelte nur und nahm noch einen Schluck Wein. Und wartete.
    »Und das hört sich alles ziemlich blöd an, nicht wahr? Aber okay.« Ripley nickte und fühlte sich auf einer gewissen Ebene plötzlich wieder richtig gut. »Ich glaube, das habe ich jetzt so weit auch selbst kapiert.«
    »Aber da ist noch etwas, nicht?«
    »Ja. Mia will ihn Freitag nämlich bei einem Ritual zuschauen lassen«, platzte Ripley heraus. »Und wenn Mia ihr Versprechen einhält, dann macht auch Nell mit. Mia macht das aber wiederum nur, weil sie gestern nicht richtig nachgedacht hat. In der Höhle … du weißt schon, die Höhle. Sie war völlig durch den Wind, und egal, wie schnell sie sich in solchen Situationen auch wieder fangen mag, es bleibt doch immer etwas hängen. Sie macht das jetzt doch nur, um zu beweisen, dass sie mit absolut allem zurechtkommt.«
    »Und sie kommt auch damit zurecht«, entgegnete Lulu mit leiser Stimme.