Im Licht der Sterne: Roman (German Edition)
und verstand plötzlich die Redewendung von der knisternden Spannung, die in einem Raum liegt. In dem Moment steckte Betsy ihren Kopf zur Tür rein.
»Sheriff – hi, Nell, Ripley. Sheriff, Bill und Ed Sutter haben einen Streit angefangen vor dem Hotel. Sieht nach einer ernsthaften Schlägerei aus.«
»Ich übernehme das.«
»Nein.« Zack stand auf. »Wir werden uns beide drum kümmern.«
Die Sutter-Brüder schwankten ständig zwischen hundertprozentiger Familienloyalität und tiefem Hass. Da sie beide stur wie Ochsen waren und gebaut wie das gleichnamige Tier, hielt er es für besser, Ripley nicht in einen Kampf einer gegen zwei zu schicken. Er warf Nell einen kurzen Blick zu beim Hinausgehen. »Du musst warten.«
So kalt, dachte sie und rieb sich ihre Arme. Es tat sehr weh, einen so warmherzigen Mann derartig eisig zu erleben. Er würde es ihr nicht leicht machen. Seltsamerweise hatte sie sich sogar trotz der schrecklichen gestrigen Nacht das Gegenteil eingeredet.
Er würde sie reden lassen. Würde mitfühlen, es verstehen, sie umarmen.
Allein in der Polizeistation konnte Nell sehen, wie ihre harmonische, niedliche Fantasie sich vor ihren Augen in Luft auflöste.
Hier stand sie, hatte ihren Stolz runtergeschluckt, setzte ihren inneren Frieden und ihr Wohlbefinden aufs Spiel, und alles, was er konnte, war, ihr einen einzigen eisigen Blick zuzuwerfen.
Nun gut, vielleicht sollte sie lieber gehen und es nicht noch schlimmer machen.
Verletzt öffnete sie die Tür. Sie machte zwei Schritte und konnte den Tumult nicht nur sehen, sondern auch hören. Sie blieb wie erstarrt stehen, verschränkte schützend ihre Arme und beobachtete das Geschehen.
Ein großer Mann mit kurz geschorenen Haaren rammte seine Faust einem anderen großen Mann mit kurz geschorenen Haaren in den Bauch. Flüche und Beschimpfungen flogen hin und her. Eine interessierte Menge schaute aus sicherer Entfernung zu – und einige schienen Partei zu ergreifen, indem sie die entsprechende Person anfeuerten.
Zack und Ripley tauchten bereits ein in die Menge, stießen sie beiseite. Nell konnte nicht hören, was sie sagten, aber während sich die Leute beruhigten, schienen ihre Worte keinerlei Einfluss auf die Sutter-Brüder zu haben.
Sie waren voll damit beschäftigt, sich gegenseitig das Gesicht zu zerschlagen.
Nell schauderte, trat noch einen Schritt vor und sah die nächste Faust fliegen. Der zunehmende Lärm brandete auf und ab, schnelle, undeutliche Bewegungen.
Zack hielt den Arm des einen Mannes, Ripley den des anderen. Beide hatten ihre Handschellen dabei, es gab Püffe und Gerangel. Flüche und ausgestoßene Warnungen.
Dann schlug der eine Bruder bösartig nach dem anderen, verfehlte sein Ziel und donnerte seine Faust genau in Zacks Gesicht.
Sie konnte sehen, wie Zacks Kopf zurückflog, konnte hören, wie die Menge einstimmig Luft holte. Alles wurde mucksmäuschenstill und so bewegungslos wie bei einem Filmriss.
Sie lief schon über die Straße, als endlich Bewegung und Lärm wieder einsetzten.
»Das war’s, verdammt noch mal, Ed, du bist verhaftet.« Zack ließ seine Handschellen zuschnappen und Ripley ihre ebenfalls. »Und um der Gerechtigkeit willen gilt für dich das
Gleiche, Bill. Blöde hitzköpfige Idioten ihr beide. Und ihr seht zu, dass ihr hier verschwindet«, befahl er den neugierigen Zuschauern, als er Ed vorwärtszwang.
Er wurde gewahr, dass Nell auf dem Bürgersteig stand, unbeweglich wie ein vom Scheinwerferlicht geblendetes Reh, und fluchte wieder.
»Komm schon, Sheriff, du weißt, dass ich dich nicht treffen wollte.«
»Das spielt absolut keine Rolle für mich, wen du treffen wolltest.« Nicht, wenn er Blut schmeckte in seinem Mund. »Du hast gerade einen Polizeioffizier angegriffen.«
»Er hat angefangen.«
»Zur Hölle.« Bill schoss zurück, als Ripley ihn schnell wegführte. »Aber ich schwöre, dass ich das bei der ersten passenden Gelegenheit zu Ende bringe.«
»Du und welche Armee?«
»Haltet den Mund«, befahl Ripley. »Ihr verdammten vierzigjährigen Rowdys.« Sie tat ihr Bestes, um ein aufkommendes Lachen zu unterdrücken.
»Ed hat ihn geschlagen. Wieso werde ich dafür eingesperrt?«
»Ihr seid ein andauerndes öffentliches Ärgernis. Wenn ihr beiden unbedingt Köpfe einschlagen wollt, dann macht das unter euch zu Hause aus, aber nicht in aller Öffentlichkeit.«
»Ihr steckt uns doch nicht ins Gefängnis?« Sehr viel ruhiger geworden angesichts des ihn erwartenden Schicksals, verlegte sich Ed
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