Im Licht der Sterne: Roman (German Edition)
Straßenrand wie ein großer plumper Vogel, dann krachte er auf die Felsen, ein schreckliches Geräusch, und er überschlug sich und überschlug sich und fiel endlich ins Wasser. Ich rannte zurück zu der Stelle, wo mein Fahrrad und meine Tasche lagen. Ich zog die eleganten Sachen aus und alte Jeans und ein Sweatshirt an, setzte die Perücke auf. Ich habe mich zu dem Zeitpunkt absolut nicht gefürchtet.«
Nein, sie hatte sich nicht gefürchtet. Da noch nicht. Aber jetzt, als sie es wieder erlebte, begann ihre Stimme zu versagen. Es war schließlich nicht jemand anderem passiert, sondern ihr.
»Ich fuhr hügelabwärts, dann wieder hinauf, wieder hinab. Als ich endlich in Carmel war, bin ich zur Busstation gegangen und habe mir eine Fahrkarte nach Las Vegas gekauft, einfache Fahrt. Als ich im Bus saß und er aus der Busstation fuhr, begann ich mich zu fürchten. Ich fürchtete, dass er kommen und den Bus stoppen würde. Dass ich verlieren würde. Aber er kam nicht. In Vegas nahm ich einen Bus nach Albuquerque, und in Albuquerque kaufte ich eine Zeitung und las die Geschichte über den traurigen Tod von Helen Remington.«
»Nell.« Mia streckte ihre Hand aus und umfasste Nells. Sie bezweifelte, dass Nell bewusst war, dass sie während der letzten zehn Minuten geweint hatte. »Ich habe ebenso noch nie eine Frau wie dich getroffen.«
Nell hob ihr Glas, und sie stießen miteinander an, während ihr die Tränen über das Gesicht liefen. »Danke.«
Mia bestand darauf, dass Nell über Nacht blieb. Es schien ihr auch angeraten zu sein nach einigen Gläsern Champagner und einer emotionalen Reinigung. Sie ließ sich widerstandslos zu einem großen Himmelbett führen und schlüpfte ohne Widerrede in ein geliehenes seidenes Nachthemd, glitt zwischen die weichen Leinenlaken und fiel sofort in Schlaf.
Und erwachte in mondheller Nacht.
Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, sich zu erinnern, wo sie war und was sie geweckt hatte. Mias Gästezimmer, erinnerte sie sich schlaftrunken. Und es wurde gesungen.
Nein, nicht gesungen. Musiziert. Es war ein lieblicher, melodiöser Klang, der weit entfernt klang, sie gerade noch erreichte. Davon angezogen stand sie auf und ging direkt auf die Terrassentür zu.
Sie öffnete sie weit, ließ einen warmen Lufthauch herein und trat hinaus in das perlweiße Licht des Mondes. Der Duft der Blumen schien sich noch zu verstärken, betäubte sie, benebelte sie wie der übermäßige Genuss von Wein.
Der Pulsschlag des Meeres war schnell, fast rasend, und ihr eigener beschleunigte sich im gleichen Rhythmus.
Dann sah sie Mia, gekleidet in eine Robe, die im Mondlicht silbern schimmerte, aus einer Gruppe von Bäumen hervortreten, die sich im Wind wie Tänzer wiegten.
Sie ging zu den Klippen, mit ihrem silbernen Gewand, ihrem im Wind wirbelnden, flammenden Haar. Dort, hoch oben auf den Felsen, wandte sie sich zur See und hob ihre Arme den Sternen und dem Mond entgegen.
Die Luft war erfüllt mit Stimmen, und die Stimmen schienen erfüllt mit Freude zu sein. Nells Augen waren vor Staunen geblendet, füllten sich mit Tränen, die sie nicht recht verstand. Sie sah das Licht, glänzende Strahlen von Licht, die vom Himmel herab fielen und Mias ausgestreckte Hände, ihr wehendes Haar umrahmten.
Für einen Moment sah sie aus wie eine Kerze, gerade, schlank, leuchtend, das äußerste Ende der Welt erhellend.
Dann war nur noch das Geräusch der See zu hören, das perlweiße Licht des schwächer werdenden Mondes und eine Frau, die allein auf den Klippen stand, zu sehen.
Mia drehte sich um, ging zurück zum Haus. Sie hob ihren
Kopf, und ihre Augen trafen die von Nell. Hielten sie fest. Fest.
Sie lächelte ruhig, ging in den Schatten des Hauses. Und war verschwunden.
7
Es war noch dunkel, als Nell auf Zehenspitzen in Mias Küche schlich. Das Haus war groß, und sie brauchte einige Zeit, um sich zurechtzufinden. Da sie nicht wusste, um wie viel Uhr Mia gewöhnlich aufstand, kochte sie nur eine Kanne Kaffee für ihre Gastgeberin und schrieb ihr ein kleines Dankeschön, bevor sie aufbrach.
Sie hätten einiges miteinander zu besprechen, fand Nell, als sie nach Hause fuhr in dem sanften Licht der Morgendämmerung. Einiges. Und das so bald wie möglich.
Sie konnte sich fast einreden, dass das, was sie gesehen hatte im Mondlicht, nichts anderes als ein Traumgebilde gewesen war, das sie dem genossenen Champagner verdankte. Fast. Aber das Gebilde stand einfach zu klar vor ihren Augen, als dass es ein
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