Im Licht der Sterne: Roman (German Edition)
Leute. Ich war vierundzwanzig. Er war zehn Jahre älter und hatte alles, was ich nicht hatte. Raffinesse, Brillanz, Kultiviertheit.«
Mia hob ihren Finger. »Warum sagst du das? Du bist eine weit gereiste, gebildete Frau mit beachtlichem Mut.«
»Ich habe mich nicht im Geringsten so gefühlt, als ich mit ihm zusammen war.« Nell seufzte. »Jedenfalls bewegte ich mich nicht in den gleichen Kreisen. Ich habe für die Reichen gekocht, für die Einflussreichen, die Glanzvollen. Aber ich habe nicht mit ihnen an einem Tisch gesessen. Er hat mir das Gefühl gegeben … dankbar sein zu müssen, dass er mir überhaupt Aufmerksamkeit schenkte. Als wäre das ein außergewöhnliches Kompliment. Es wird mir erst jetzt richtig bewusst«, murmelte sie kopfschüttelnd.
»Er hat mit mir geflirtet, und das fand ich aufregend. Er schickte mir zwei Dutzend rote Rosen am nächsten Tag. Es waren von Anfang an ständig rote Rosen. Er hat mich ausgeführt, hat mich mit ins Theater genommen, auf Partys, in Nobelrestaurants. Er blieb zwei Wochen lang in Chicago und machte keinen Hehl daraus, dass er nur für mich seine Pläne geändert, Termine mit Mandanten abgesagt, seine Arbeit vernachlässigt, sein ganzes Leben umgeworfen hatte. Ich war für ihn bestimmt«, flüsterte Nell und rieb sich ihre Arme, plötzlich fröstelnd.
»Wir waren füreinander bestimmt. Als er mir das sagte, war es erregend. Später, nicht allzu viel später, war es beängstigend. Er hat mir Dinge gesagt, die zunächst romantisch klangen. Wir würden für ewig zusammenbleiben. Wir würden uns niemals trennen. Er würde mich niemals gehen lassen. Er hat mich geblendet, und als er mich gefragt hat, ob ich ihn heiraten will, habe ich es mir nicht zweimal überlegt. Meine Mutter hatte Bedenken, bat mich, etwas länger zu warten, aber ich habe nicht auf sie gehört. Wir gingen auf und davon, ich folgte ihm nach Kalifornien. Die Presse nannte das Ganze die Romanze des Jahres.«
»Ah. Ja.« Mia nickte bestätigend, als Nell sich ihr zuwandte. »Es macht klick. Du hast anders ausgesehen damals. Mehr wie ein verwöhntes Kind.«
»Ich habe genauso ausgesehen, wie er es wollte, und ich habe mich verhalten, wie er wollte, dass ich mich verhalte. Zuerst schien alles gut zu sein. Er war älter, klüger, und ich musste mich erst in seiner Welt zurechtfinden. Er gab mir das Gefühl, dass es vernünftig sei, genauso, wie er mir das Gefühl von … Unterweisung vermittelte, wenn er mich als zu langsam oder als langweilig bezeichnete. Er wusste es besser als ich, und wenn er mir sagte, dass ich ein anderes Kleid anziehen sollte, bevor er mir gestattete, auszugehen, hat er nur in meinem Interesse gehandelt – und im Interesse unseres Images. Es waren anfangs subtile Hinweise, nahezu Bitten. Und jedes Mal, wenn ich ihm gefallen habe, ihm Freude gemacht habe, wurde ich belohnt. Wurde wie eine Puppe trainiert. Hier, weil du so eine ausgezeichnete Begleiterin warst, bekommst du ein Diamantenarmband. Gott, es widert mich an, wie leicht ich zu manipulieren war.«
»Du warst verliebt.«
»Ich habe ihn geliebt. Den Mann, der ich dachte, der er war. Und er war klug und unerbittlich. Als er mich das erste Mal geschlagen hat, war es ein ungeheuerlicher Schock, aber
es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass ich es nicht verdient hätte. Ich war inzwischen gut abgerichtet worden. Es wurde danach schlimmer, ganz langsam, Stück für Stück. Meine Mutter wurde getötet, ungefähr ein Jahr, nachdem ich weggegangen bin. Ein betrunkener Fahrer«, sagte Nell mit belegter Stimme.
»Und dann warst du ganz allein. Es tut mir so Leid.«
»Er war so nett, so fürsorglich. Er übernahm die gesamte Abwicklung, sagte seine Verabredungen für eine Woche ab und fuhr mit mir nach Chicago. Er verhielt sich genauso, wie man es von einem liebenden Ehemann erwarten würde. Und an dem Tag, als wir nach Hause zurückkehrten, wurde er wild. Er hat gewartet, bis wir zu Hause waren. Allen Bediensteten gab er frei. Dann hat er zugeschlagen. Er hat gewütet und wie besessen um sich geschlagen. Er hat nie seine Fäuste benutzt, immer nur die offene Hand. Ich glaube, das sollte noch erniedrigender sein. Er beschuldigte mich, mit einem der Trauergäste eine Affäre zu haben. Ein Mann, der ein guter Freund meiner Eltern war. Ein netter und freundlicher Mann, der für mich so etwas wie ein Onkel war.
Überrascht, dass ihr Glas leer war, ging sie zurück zum Tisch und schenkte sich nach. Sie hörte Vogelgesang, ein
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