Im Licht der Sterne: Roman (German Edition)
klingen aus dem Mund einer Frau, die sich gerade einen Liebhaber genommen hatte.
»Vielleicht eine Erinnerung an die Kindheit«, schlug sie stattdessen vor. »Das Ende des Sommers war gleichbedeutend mit Schulbeginn.« Sie folgte Mia auf einem gut sichtbaren Trampelpfad durch den Nebel und die Schatten. »Ich habe die ersten Schulwochen nach den Ferien immer gehasst. Nicht, wenn mein Vater ein weiteres Jahr an derselben Militärbasis blieb, sondern wenn ich die Neue war und alle schon einer Gruppe angehörten.«
»Wie bist du damit umgegangen?«
»Ich habe gelernt, auf Leute zuzugehen, Freundschaften zu schließen, auch wenn sie nur flüchtiger Natur waren. Habe mir meine eigene Welt gebastelt. Ich nehme an, deshalb war ich ein perfektes Ziel für Evan. Er versprach mir, mich zu lieben, zu ehren und zu verwöhnen, für immer und ewig. Ich wünschte mir sehr jemanden für immer und ewig.«
»Und jetzt?«
»Jetzt möchte ich erst mal einen Ort zur persönlichen Entfaltung haben und daran festhalten.«
»Schon wieder etwas, was wir gemeinsam haben. Dies ist einer meiner Orte.«
Sie traten auf eine Lichtung, wo der Nebel vom ruhigen Mondlicht weiß gefärbt war. Die runde Kugel schimmerte durch die Bäume, fiel auf die dunklen Sommerblätter, warf ihr Licht über eine Gruppe von drei Steinen. Von einigen Ästen hingen Windharfen, Kräuterbüschel, Kristalle an Bändern, und alles bewegte sich sanft im leichten Wind, musizierte gemeinsam mit der nahen See.
Der Ort hatte etwas Ursprüngliches, Archaisches, dachte Nell, und ihre Haut begann zu prickeln. Als wären solche Dinge wie Häuser, Läden und Straßenschilder Teile einer anderen, weniger lebendigen Welt.
»Es ist schön hier. Und … Ich wollte sagen, es wirkt verwunschen, ohne beängstigend zu sein. Man könnte denken, jeden Moment tauchen Geister auf oder kopflose Reiter oder ein großer schwarzer Wolf mit menschlichen Augen. Und trotzdem hat diese Vorstellung nichts Beängstigendes an sich.«
Sie drehte sich um, ihre Füße zerteilten den Nebel, der wie graue Seide am Boden lag, sie nahm den Duft von Eisenkraut, Rosmarin und Salbei wahr.
Und sie nahm noch etwas anderes wahr – ein leises Summen, das wie Musik klang.
»Hier warst du in der Nacht der Sonnenwende, bevor du zu den Klippen gegangen bist.«
»Dies ist ein geheiligter Ort«, erläuterte Mia. »Es heißt, dass die Schwestern hier standen, vor dreihundert Jahren oder noch länger zurück, und ihren Zauberspruch gesagt haben, um ihre Zufluchtsstätte zu erschaffen. Ob es so war oder nicht, ich wurde von diesem Ort immer angezogen. Wir werden den Kreis gemeinsam ziehen. Es ist ein altes Ritual.«
Mia zog ihren Ritualdolch aus ihrer Tasche und begann. Fasziniert wiederholte Nell die Worte, die Gesten und war
nicht sonderlich überrascht, als sie sich plötzlich in einem dünnen Lichtring wiederfand, der durch den Nebel schimmerte.
»Wir beschwören Luft, Erde, Wasser und Feuer, zu bewachen unseren Kreis, der uns teuer. Beschützt und bezeugt diese Andacht, öffnet unsere Sinne der Magie dieser Nacht.«
Mia legte ihren Dolch sowie ihren Stab nieder und nickte Nell zu, nachdem diese den Gesang wiederholt hatte. »Du kannst deinen eigenen Kreis schaffen, auf deine eigene Weise, mit deinen eigenen Worten, sobald du dazu bereit bist. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich arbeite am liebsten so, wie ich geschaffen bin, wenn das Wetter es zulässt.«
Mit diesen Worten schlüpfte Mia aus ihrem Kleid, legte es ordentlich zusammen, während Nell schluckte. »Oh, nun ja, ich weiß wirklich nicht …«
»Es ist nicht notwendig.« Mia bewegte sich nackt vollkommen ungezwungen, hob ihren Stab wieder auf. »Ich ziehe es gewöhnlich vor, besonders bei diesem Ritual.«
Da war eine Tätowierung – ein Muttermal vielleicht, überlegte Nell. Ein kleines Pentagramm-Muster auf der milchweißen Haut ihres Schenkels.
»Welches Ritual?«
»Wir holen den Mond herunter. Einige tun das gewöhnlich, wenn gewichtige Probleme anstehen, aber ich brauche manchmal, oder besser, ich habe manchmal gern eine Extraportion Energie. Zu Beginn musst du dich öffnen. Bewusstsein, Atmung, Herz, Lenden. Hab Vertrauen. Jede Frau wird bestimmt vom Mond, genau wie das Meer. Halte deinen Stab in der rechten Hand.«
Nell kopierte Mias Gesten, hob ihre Arme, hob sie ganz langsam hoch ins Licht, dann umfasste sie ihren Stab mit beiden Händen.
»In dieser Stunde, in dieser Nacht, rufen wir Lunas Macht. Vereine dein Licht
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