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Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)

Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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aufnehmen. Die so wild war, so schön, so zeitlos.
    Sie erschien ihm seltsam vertraut, doch das mochte an einer Art von genetischem Ortsgedächtnis liegen. Immerhin hatten seine Vorfahren dieses wogende Hügelland mit den hoch aufragenden Klippen durchstreift. Sie waren Krieger gewesen. Hatten sich einst mit blauer Farbe angemalt und waren wild brüllend aus den Wäldern gestürmt, um den Feind in Schrecken zu versetzen. Hatten ihren Brustschild umgeschnallt und zu Schwert und Pike gegriffen, um ihr Land zu verteidigen und ihre Freiheit zu bewahren.
    Die Szene, die ihm schlagartig in den Sinn kam, war von brutaler Klarheit. Das Aufblitzen sich kreuzender Schwerter, gellende Schlachtrufe. Sich aufbäumende Pferde mit wild rollenden Augen, hoch aufspritzendes Blut aus einem abgetrennten Arm, der qualvolle Schrei eines zu Boden stürzenden Mannes. Und der brennende Schmerz, als sich Stahl durch Fleisch bohrt.
    Halb betäubt vor Schmerz blickt er nach unten und sieht das Blut, das aus seinem Oberschenkel hervorquillt.
    Hoch droben am Himmel die Aaskrähen, die still und geduldig ihre Kreise ziehen. Der Gestank nach versengtem Fleisch, als ein Berg Leichen auf einem Scheiterhaufen brennt, und die unheimlichen, dünnen Schreie sterbender Männer, die auf Erlösung warten.
    Cal kam zu sich, als er an der Seite der Straße anhielt, aus dem Wagen sprang und frische Luft in seine Lungen einsog, während der Regen auf ihn niederdonnerte. Hatte er einen Ohnmachtsanfall gehabt? Verlor er den Verstand? Zitternd griff er nach unten und fuhr mit der Hand über seine Jeans. Da war keine Wunde, und dennoch fühlte er den nachhallenden Schmerz einer alten Narbe, die er an dieser Stelle ganz sicher nicht hatte.
    Es passierte wieder. Die Angst durchströmte ihn mit tödlicher Kälte und gefror ihm das Blut in den Adern. Er zwang sich, ruhig zu werden, seine Vernunft einzuschalten. Jetlag, redete er sich ein. Jetlag und Stress, das war alles. Wie viel Zeit war vergangen, seit er Shannon verlassen hatte? Zwei Stunden? Drei? Er musste sich nach einer Übernachtungsmöglichkeit umsehen. Er brauchte etwas zu essen. Er würde sich irgendeine ruhige, abgelegene, einfache Pension suchen, überlegte er. Irgendeinen stillen Ort, wo er sich ausruhen und wieder Frieden finden könnte. Und wenn das Unwetter vorbei wäre, würde er seine Kamera schnappen und sich auf einen langen Spaziergang begeben. Er könnte mehrere Wochen bleiben oder morgen Früh wieder aufbrechen. Er war frei, machte er sich klar. Und das war gesund, das war normal.
    Er stieg wieder in den Wagen ein, atmete ein paar Mal tief durch und fuhr dann weiter entlang der gewundenen Küstenstraße.
     
    Als er um eine Kurve bog, kam die verfallene Burg in Sicht. Der Wachtturm – zumindest nahm er an, dass es sich darum handelte – war nahezu intakt, doch die umgebenden Mauern
waren weggebrochen, und der Anblick erinnerte ihn an einen alten, von vielen Schlachten vernarbten Krieger. Ungeachtet ihrer eingestürzten Mauern verströmte die hoch auf der Felsklippe thronende Burg Macht und trutzhafte Wehr.
    Aus dem brodelnden Himmel brach ein gleißender Blitz hervor, explodierte mit blendendem Lichtschein und ließ in der Luft den Geruch nach Ozon zurück.
    Das Herz klopfte ihm dumpf in der Brust, in seinem Unterleib breitete sich ein Ziehen aus, das eindeutig sexueller Natur war, und seine Finger verkrampften sich über dem Lenkrad. Er bog in die schmale, zerfurchte Schotterstraße ein, die nach oben führte. Er brauchte ein Foto von der Burg, sagte er sich. Mehrere Studien aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ein kleiner Umweg – fünfzehn oder zwanzig Minuten –, bevor er sich wieder auf die Suche nach einer kleinen Pension machen würde.
    Es spielte keine Rolle, dass Irland mit Ruinen und alten Burgen übersät war – er brauchte diese hier.
    Nebel umwallte das Fundament wie ein Fluss. Er konzentrierte sich so sehr auf das Spiel von Licht und Schatten auf dem verfallenen Gemäuer und auf die Struktur der Gräser und Wildblumen, die sich durch die Felsspalten kämpften, dass er das kleine Haus erst entdeckte, als er fast direkt davor stand.
    Unwillkürlich lächelte er. Das Häuschen neben der verfallenen Burg war so bezaubernd, so unerwartet. Es wirkte einladend, gastfreundlich und schien, wie die Blumen, die es umgaben, mitten aus dem Fels hervorzublühen, als hätte es eine liebevolle Hand dorthin gepflanzt.
    Es war weiß gestrichen mit hellblauen Fensterläden. Eine
dünne

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