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Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)

Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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entsann sich, wie seine Frau, unwillkürlich des kleinen Jungen, der schlafgewandelt war, mit Schatten gesprochen und von Hexen, Blut und Schlachten geträumt hatte.
    »Ich meine es doch nur gut. Ich bin nun mal eine Glucke.« Sie versuchte ein Lächeln.
    »Ihr braucht euch keine Gedanken um mich zu machen. Ich bin etwas überarbeitet und ausgebrannt, das ist alles.« Und mehr war es auch nicht, dachte er, entschlossen, es auf dieser Ebene zu belassen. Er war nicht anders, war nicht sonderbar. War das Bataillon von Ärzten, zu dem ihn seine Eltern seine ganze Kindheit hindurch geschleppt hatten, nicht einhellig zu der Diagnose gelangt, er habe einfach nur eine ungewöhnlich lebhafte Fantasie? Und hatte er diese Veranlagung dann nicht in kreative Bahnen umgelenkt, indem er sie in seine Fotografie einfließen ließ?
    Er sah keine Dinge mehr, die es nicht gab.
    Sylvia nickte, gab sich mit seiner Erklärung zufrieden. »Kein Wunder. In den letzten fünf Jahren hast du Tag und Nacht gearbeitet. Du brauchst etwas Entspannung, etwas Ruhe. Und jemanden, der dich aufpäppelt.«
    »Montana«, warf John ein. »Ein paar Wochen angeln, saubere Luft und Erholung.«
    »Ich werde nach Irland fahren.« Die Worte entschlüpften ihm, bevor ihm bewusst wurde, dass er sich tatsächlich mit diesem Gedanken trug.
    »Nach Irland?« Sylvia schürzte die Lippen. »Aber doch nicht zum Arbeiten, Calin?«
    »Nein, ich will … ich will es mir einfach mal ansehen«, sagte er gedehnt.
    Sie nickte zufrieden. Urlaub war Urlaub, ob nun in Montana oder sonst wo. »Eine gute Idee. Das soll ja ein sehr beschauliches Land sein. Wir hatten immer vor, irgendwann dorthin zu reisen, nicht wahr, John?«
    Er brummte zustimmend. »Willst dich wohl auf die Suche nach deinen Vorfahren machen, was, Cal?«
    »Mal sehen.« Nachdem sein Entschluss feststand, wandte er sich wieder seinem Kaffee zu. Ja, er würde sich tatsächlich auf die Suche nach etwas machen, kam ihm in den Sinn. Oder nach jemandem.
     
    Bei seiner Landung auf dem Flughafen von Shannon regnete es. Der kalte Spätfrühlingsregen passte genau zu seiner Stimmung. Er hatte fast während des gesamten transatlantischen Fluges geschlafen. Und war wieder von den Träumen verfolgt worden. Er ging durch den Zoll, mietete sich einen
Wagen, wechselte Geld. All diese Schritte erfolgten mit der mechanischen Routine des erfahrenen Reisenden. Nachdem er alles erledigt hatte, versuchte er, guten Mutes zu sein und den Gedanken, er habe eine Art von Nervenzusammenbruch, zu verdrängen.
    Er stieg in den Mietwagen, saß dann reglos in dem düsteren Licht und fragte sich, was er tun und wohin er fahren sollte. Er war dreißig Jahre alt, ein erfolgreicher Fotograf, der seinen Preis kannte, seinen eigenen Stil hatte. Er betrachtete es noch immer als eine kuriose Laune des Schicksals, dass er in der Lage war, sich seinen Lebensunterhalt mit einer Tätigkeit zu verdienen, die er leidenschaftlich gern machte. Alles, was er in einer Landschaft, in einem Gesicht, in Licht und Schatten und Struktur sah, nahm er in sich auf und verarbeitete es fotografisch.
    Sicher, die letzten Jahre waren hektisch gewesen, und er hatte fast nonstop gearbeitet. Selbst jetzt war der Kofferraum des gemieteten Volvo mit seiner Ausrüstung beladen, und seine geliebte Nikon lag in ihrer Kameratasche neben ihm auf dem Beifahrersitz. Er kam von der Fotografie nicht los – wollte auch nicht von etwas ablassen, das er liebte.
    Plötzlich durchfuhr ihn ein eigentümlicher Kälteschauer, und einen winzigen Moment lang vermeinte er, das Weinen einer Frau zu hören.
    Das ist nur der Regen, sagte er sich und rieb sich mit den Händen über das Gesicht, das lang und schmal war, mit den hohen kräftigen Wangenknochen seiner keltischen Vorfahren. Seine Nase war gerade, der Mund fest und gut geformt. Es war ein Mund, der gern lächelte – zumindest war das bis vor kurzem so gewesen.
    Seine Augen waren grau – von einem tiefen, reinen Grau ohne eine Spur von Grün oder Blau. Die Brauen waren markant gewölbt und stießen, wenn er sich auf etwas konzentrierte, in der Mitte zusammen. Sein Haar war dunkel und dicht und wallte bis über seinen Kragen. Es verlieh ihm ein künstlerisches Flair, das zahlreiche Frauen anzog.
    Auch dies bis vor kurzem.
    Eine Weile grübelte er über die Tatsache nach, dass er seit Monaten mit keiner Frau mehr zusammen gewesen war – kein Verlangen danach gehabt hatte. Eine Folge der Überarbeitung?, überlegte er. Ein Nebenprodukt

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