Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
aufgingen, saß er einige Meter von Allena entfernt am Strand und sah ihr zu, wie sie ihre Sandburg errichtete.
»An dieser Seite fehlt ein Wachtturm«, sagte er. »Du hast deine Burg völlig unbewehrt gelassen.«
»Es ist eine Burg, keine Festung, und in meinem kleinen Reich herrscht Frieden. Nur ein begnadeter Künstler könnte hier einen Wachtturm anbauen, ohne das Gesamtbild zu stören.«
Er leerte sein Glas und nahm die Herausforderung an.
Allena fügte noch mehrere kleine Türme hinzu, die sie sorgfältig aus nassem Sand formte und mit der Kante des
Spatens glatt strich. Angestachelt durch Conals überlegene Fingerfertigkeit und Geschick, fügte sie weitere Anbauten hinzu.
»Was soll dieser Klumpen darstellen, wenn ich fragen darf?«, erkundigte er sich höflich.
»Das sind die Stallungen, vielmehr sollen sie das werden.«
»Die Proportionen stimmen nicht.« Er wollte eingreifen, doch sie schlug seine Hand weg. »Wie du meinst«, sagte er, »aber wenn deine Pferde da hineinpassen wollen, müssen sie im Verhältnis ungefähr so groß wie Hugh sein.«
Beleidigt warf sie den Kopf zurück, wiewohl sie sich eingestehen musste, dass er Recht hatte. »Ich bin ja noch nicht fertig«, bemerkte sie kühl und schaufelte mit den Händen mehr Sand hinzu. »Und was soll das da werden?«
»Das wird die Zugbrücke.«
»Eine Zugbrücke?« Begeistert beugte sie sich vor, um die Rampe zu begutachten, die er mit seinen flinken, geschickten Händen geformt hatte. »Oh, das ist wundervoll. Du bist ein echtes Talent. Warte, ich weiß, was jetzt noch fehlt.«
Sie sprang auf und rannte zum Haus. Kurz darauf kehrte sie mit einer Schachtel langer Streichhölzer und einem winzigen roten Stofffetzen zurück, den sie zu einem Dreieck geschnitten hatte.
»Eine Kette wäre besser, aber wir sind eben innovativ.« Sie steckte je eines der langen Streichhölzer zwischen der Zugbrücke und dem Burgtor fest. »Zum Glück veranstaltet das Königspaar heute Abend einen Ball, so dass die Zugbrücke unten bleibt.«
Sie brach ein Streichholz auseinander, spießte das Stoffdreieck auf eine Hälfte und hisste ihre Fahne auf den Zinnen des höchsten Turms. »Perfekt.«
Feierlich schenkte sie ihnen beiden Wein nach und hob ihr Glas zu einem Toast. »Auf die Dolman-Burg.« Ein Traum, dachte sie, den sie zusammen erschaffen hatten.
Nachdem sie mit ihm angestoßen hatte, stellte sie ihr Glas ab, schlang die Arme um ihre angewinkelten Knie und blickte auf das Meer hinaus. »Was für eine herrliche Nacht. Dieser Sternenhimmel. So einen Himmel kann man in New York nicht sehen, nur kleine Ausschnitte zwischen den Gebäuden, so dass man ganz vergisst, wie groß er ist.«
»Als Junge habe ich mich nachts oft aus dem Haus gestohlen und genau an diese Stelle gesetzt.«
Sie legte die Wange auf ihre Knie und blickte zu ihm auf. »Was hast du sonst noch alles als Junge gemacht?«
»Ich bin auf den Klippen herumgeklettert, habe mit meinen Freunden aus dem Dorf gespielt, habe mir größte Mühe gegeben, mich vor unangenehmen Haushaltsarbeiten zu drücken. Ich bin mit meinem Vater angeln gegangen.«
Er verfiel in ein so dunkles, tiefes Schweigen, dass Allena nach seiner Hand griff. »Er fehlt dir.«
»Ich habe ihn allein gelassen. Ich hatte keine Ahnung, dass er krank war. Er hat nie etwas darüber verlauten lassen, mich kein einziges Mal gebeten, auf die Insel zurückzukommen und mich um ihn zu kümmern. Er ist lieber gestorben, als mich darum zu bitten.«
»Aber er wusste, dass du sofort gekommen wärst.«
»Er hätte es mir sagen müssen. Dann hätte ich ihn nach
Dublin, in ein Krankenhaus bringen können, zu Spezialisten.«
»Für die Hinterbliebenen ist es immer am schlimmsten«, murmelte sie. »Er wollte hier sein, Conal. Hier sterben.«
»Oh, aye, hier sterben. Das war offensichtlich sein Wunsch. Obwohl er wusste, wie krank und schwach er war, stieg er die Klippen hinauf. Und oben am Steinkreis hörte sein Herz dann auf zu schlagen. Aber er wollte es ja so.«
»Und das macht dich wütend.«
»Eher hilflos, was für mich im Grunde gleichbedeutend ist. Ja, ich vermisse ihn und ich trauere um die verlorene Zeit, die wir zusammen hätten verbringen können. Statt ihn zu besuchen, habe ich ihm Geld geschickt. Und er hat mir alles, was er besaß, hinterlassen. Das Cottage und Hugh.«
Er wandte sich ihr zu und zog an ihrer Kette, bis der Anhänger zum Vorschein kam. »Und dies hier. Er hat den Anhänger für mich in der kleinen Holzkiste
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