Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Auto gefahren«, wiederholte sie mit wachsender Erregung. »Natürlich. Ich war mit dem Auto unterwegs und habe mich verfahren. Das Gewitter. Ich kam aus …« Sie hielt inne, kämpfte sich durch den Nebel ihrer Erinnerung. »Dublin. Ich kam aus Dublin. Ich mache hier Urlaub. Genau, ich mache hier Urlaub und wollte die Gegend erkunden. Und dabei habe ich mich verirrt. Irgendwie. Ich fuhr auf einer schmalen Straße durch den Wald, und ein Gewitter zog auf. Ich konnte kaum noch etwas erkennen. Dann sah ich …«
Sie sah ihn an, und der erleichterte Ausdruck in ihren Augen wich einer tiefen Verwirrung. »Ich habe Sie gesehen«, flüsterte sie. »Ich habe Sie draußen im Gewitter gesehen.«
»Sie erinnern sich also.«
»Sie standen im Regen. Und sagten meinen Namen. Wie konnten Sie, bevor wir uns kennen lernten, meinen Namen wissen?«
Er schenkte ihr ein Glas Wein ein und reichte es ihr. Sie hatte bisher zwar kaum etwas gegessen, aber der Wein würde ihr vielleicht helfen, das nun Folgende besser zu verkraften. »Ich habe von dir geträumt, Kayleen. Träumte schon von dir, noch ehe du geboren warst. Und ich träumte von dir, als du dich im Wald verirrtest. Als ich erwachte, standest du vor meiner Tür. Hast du nie von mir geträumt, Kayleen?«
»Ich habe keine Ahnung, worüber Sie da reden. Es gab ein Gewitter. Ich verirrte mich. Ganz in der Nähe schlug ein Blitz ein, und dann stand plötzlich ein Hirsch auf der Straße. Ein weißer Hirsch. Ich riss das Steuer herum, um ihm auszuweichen, und krachte gegen einen Baum. Wahrscheinlich habe ich eine Gehirnerschütterung und sehe deshalb Dinge, die es gar nicht gibt.«
»Eine weiße Hirschkuh.« Aus seinem Gesicht war jede Freude gewichen. »Du bist gegen einen Baum gefahren? Sie hätten dich nicht zu verletzen brauchen«, murmelte er. »Sie hatten kein Recht, dich zu verletzen.«
»Wer denn, um Himmels willen?«
»Meine Gefängniswärter.« Er schob seinen Teller zur Seite. »Die verfluchten Wärter.«
»Ich werde jetzt nach meinem Wagen sehen.« Sie redete absichtlich ruhig und langsam. Der Mann war nicht einfach nur ein Exzentriker, nein, er war eindeutig geistesgestört. »Noch mal vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Wenn du nach deinem Wagen sehen willst, werde ich dich begleiten. Morgen Früh. Es hat wenig Sinn, mitten in der Nacht bei einem Gewitter nach draußen zu gehen.« Bevor sie aufstehen konnte, legte er die Hand fest auf die
ihre. »Du denkst, dieser Flynn hat den Verstand verloren. Nun, dem ist nicht so, wiewohl ich ein-, zweimal nahe daran war. Sieh mich an, leannana. Bedeute ich dir denn gar nichts?«
»Ich weiß es nicht.« Und genau deshalb, weil sie es nicht wusste, sprang sie auch nicht auf und lief davon. Denn wenn er sie so wie jetzt anblickte, fühlte sie sich seltsamerweise an ihn gebunden. Nicht gefesselt, sondern gebunden. Und zwar aus freiem Willen. »Ich weiß nicht, was du für mich bedeutest oder wie mir hier geschieht«, sagte sie, ohne nachzudenken auf das vertraute Du übergehend.
»Dann lass uns ans Kaminfeuer setzen, und ich werde dir alles erzählen.« Er stand auf, hielt ihr die Hand entgegen. Verärgerung malte sich in seinen Zügen, als sie seine dargebotene Hand ablehnte. »Möchtest du das Messer mitnehmen?«
Sie blickte auf das Messer hinunter, dann zu ihm zurück. »Ja.«
»Wohlan, fühl dich frei.«
Er ergriff die Weinflasche und die Gläser und ging voraus.
Die gestiefelten Beine bequem am Kamin abgestützt, saß er am Feuer und genoss seinen Wein und den Duft der Frau, die so argwöhnisch neben ihm saß. »Ich wurde als Zauberer geboren«, begann er. »Manche sind Zauberer von Geburt an. Andere gehen in die Lehre und können die Zauberkunst erlernen. Aber wenn man als Zauberer geboren wird, ist es eher entscheidend, die Kunst zu kontrollieren als sie zu lernen.«
»Demnach war dein Vater ebenfalls ein Zauberer.«
»Nein, er war Schneider. Die Gabe der Magie muss nicht unbedingt durch Blut weitergegeben werden. Man muss sie im Blut haben. « Er machte eine Pause, um sie nicht erneut zu überfordern. Bevor er weitererzählte, wollte er erstmal mehr über sie erfahren. »Womit beschäftigst du dich denn in deinem Boston?«
»Ich bin Antiquitätenhändlerin. In meinem Fall ist das allerdings ein Familienerbe. Meine Onkel, mein Großvater und so weiter. Die Brennans aus Boston sind seit nahezu einem Jahrhundert in diesem Geschäft tätig.«
»Ein Jahrhundert?« Er grinste. »Das ist ja schrecklich
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