Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
denn wenn er sich damals mehr von seinem Verstand als von der Leidenschaft hätte leiten lassen, wäre er sicher zu demselben Schluss gelangt. »Ich hatte nur den Gedanken, sie zu retten. Sie zu beschützen und sie … ja, sie dadurch vielleicht ganz für mich zu gewinnen. Ich wollte diesen bösen Mann um seinen Reichtum und seine Stellung bringen. Dies schwor ich ihr, und oh, wie ihre tränennassen Augen aufleuchteten und funkelten. Ich schwor, ich würde ihm alles nehmen, was er besaß, und es ihr zu Füßen legen. Sie würde wie eine Königin leben, und ich würde mein Leben lang für sie sorgen.«
»Aber Stehlen …«
»Unterbrich mich nicht ständig!«, zischte er ungehalten.
»Oh.« Ihr Kopf schoss in die Höhe, das Kinn reckte sich. »Ich bitte um Verzeihung.«
»Also rief ich den Wind an, beschwor den Mond, befahl dem Feuer. Dies tat ich, und ich tat es aus freiem Willen für sie. Und dieser Mann erwachte frierend in einer kleinen Bauernkate statt in seinem vornehmen Herrenhaus. Er erwachte in Lumpen gehüllt statt im flauschigen Nachtgewand. Ich zerstörte ihn, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen. Und als es geschehen war, stand ich triumphierend
im schwelenden Licht dieser letzten Morgendämmerung.«
Er verfiel in Schweigen, und als er fortfuhr, war seine Stimme rau. »Die Wächter umschlossen mich mit einem kristallenen Schutzschild, hielten mich dort gefangen, während ich fluchte und protestierte und als Verteidigung für mein Vergehen das Herz und die Unschuld meiner jungen Maid anführte. Und da zeigten sie mir, wie meine holde Maid lachte, als sie die Schätze aufklaubte, die ich ihr gesandt hatte, als sie dann in eine mit all ihren Gütern beladene Kutsche sprang und in die Arme des Geliebten fiel, mit dem zusammen sie den Untergang des von ihr gehassten Mannes geplant hatte. Wie auch meinen Untergang.«
»Aber du hast sie geliebt.«
»Ja, doch die Wächter lassen Liebe nicht als Ausrede oder Grund gelten. Sie stellten mich vor die Wahl. Entweder würden sie mir meine Kraft entziehen, jene Kraft, die ich im Blut habe, und mich zu einem gewöhnlichen Menschen machen. Oder sie würden mir meine Kraft lassen, doch ich müsste dann allein in einer Zwischenwelt leben, ohne Gefährten, ohne menschlichen Kontakt, ohne die Freuden der Welt, die ich, nach Meinung der Wächter, verraten hatte.«
»Das ist grausam. Herzlos.«
»Das war auch mein Argument, aber sie blieben hart. Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit, denn ich wollte keine leere Hülle sein. Ich wollte meinem Geburtsrecht nicht entsagen. Seit jener Nacht des Verrats existiere ich hier, hundert Jahre mal fünf, mit nur einer Woche in jedem Jahrhundert, in der ich wieder als ein Mann und Mensch fühlen darf.
Ich bin ein Mann, Kayleen.« Ihre Hand mit dem Mondstein nach wie vor umklammernd, stand er auf. Und zog sie mit sich hoch. »Ich bin«, murmelte er, während er mit der freien Hand in ihr Haar griff und es mit der Faust umfasste.
Er senkte den Mund zu ihren Lippen, zögerte dann. Ihr regelmäßiger, tiefer Atem zitterte. Sie erbebte unter seiner Berührung, und er fühlte das Stolpern ihres Herzschlags in seinem Inneren.
»Dieses Mal heimlich«, murmelte er. »Ganz heimlich.« Und strich mit den Lippen über ihren Mund. Der Geschmack erwärmte ihn wie der erste Schluck eines guten Weines.
Er trank langsam. Selbst als ihre Lippen sich einladend teilten, trank er langsam. Kostete die Beschaffenheit ihres Mundes aus, das Gleiten der Zungen, das zarte Beißen der Zähne.
Ihr Körper passte sich so perfekt, so wunderbar schmiegsam an den seinen an. Die Hitze aus dem Mondstein, der in ihrer beider Hände ruhte, strömte wie Sonnenlicht aus und begann zu pulsieren.
Und obgleich er langsam trank, wurde er doch von ihr berauscht.
Als er sich zurückzog, schmetterte ihr Seufzer ihn nieder.
»A ghra .« Schwach, sehnsüchtig senkte er den Kopf. Und zog dann, ebenfalls mit einem Seufzen, den Anhänger aus ihrer Hand. Ihr Blick, so weich, so liebend, so verhangen vor Begehren, wurde allmählich wieder klar. Ehe die Wandlung ganz vollzogen war, presste er ein letztes Mal den Mund auf ihre Lippen.
»Träum«, sagte er.
Vier
Kayleen erwachte im bleichen Licht der Morgensonne. Ein betörender Rosenduft erfüllte den Raum, und im Kamin brannte ein niedriges Feuer.
Verschlafen drehte sie sich auf die andere Seite, um noch etwas weiterzudösen.
Und schoss dann wie ein Pfeil in die Höhe.
O Gott, dies alles war wirklich
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