Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
lang.«
»Nun ja, nach europäischen Maßstäben sicher nicht. Aber Amerika ist ein sehr junges Land. Du hast übrigens einige ganz wunderbare Stücke in deinem Heim.«
»Ich sammle, was mir gefällt.«
»Offenbar verfügst du über einen sehr breit gefächerten Geschmack. Ich habe noch nie zuvor einen derartigen Mix aus Stilrichtungen und Epochen auf einem Haufen gesehen.«
Erstaunt blickte er sich um. Er hatte sich darüber noch nie Gedanken gemacht, aber bisher war sein Geschmack auch nie einer Prüfung unterzogen worden. »Gefällt es dir nicht?«
Seine bange Frage entlockte ihr ein Lächeln. »Doch, sogar sehr. In meinem Beruf sehe ich eine Menge schöner und interessanter Stücke, und ich war immer schon der Meinung, dass man die verschiedenen Stilrichtungen mischen und einen eigenen Stil schaffen sollte, statt sich
streng an ein Schema zu halten. Was man dir ja nicht nachsagen kann.«
»Ja. Das stimmt.«
Sie ertappte sich dabei, wie sie die Beine anzog und eine bequeme Haltung einnahm. Was, um alles in der Welt, war bloß mit ihr los? Sie machte es sich bequem, um eine zwanglose Unterhaltung mit einem Mann zu führen, der sehr wahrscheinlich ein Irrer war. Rasch blickte sie zu dem Messer, das sie neben sich gelegt hatte, und dann wieder zu ihm zurück. Und bemerkte, wie er sie versonnen musterte.
»Ich frage mich, ob du es benutzen würdest. Es gibt zwei Sorten von Menschen. Jene, die kämpfen, und jene, die fliehen. Wozu gehörst du, Kayleen?«
»Ich bin noch nie in einer Situation gewesen, wo das eine oder das andere notwendig gewesen wäre.«
»Das spricht entweder für ein sehr glückliches Leben oder für ein sehr langweiliges. Da bin ich mir nicht ganz sicher. Ich persönlich habe nichts gegen einen guten Kampf einzuwenden«, fügte er grinsend hinzu. »Das ist nur eine meiner zahlreichen Schwächen. Tatsache ist, dass ich den ehrlichen Ringkampf Mann gegen Mann vermisse. Ja, ich vermisse sehr viele Dinge.«
»Warum? Warum musst du überhaupt etwas vermissen?«
»Tja, genau das ist das Thema dieses Gesprächs am Kaminfeuer. Das große Warum. Fragst du dich, mavourneen, ob ich nicht ganz richtig im Kopf bin?«
»Ja«, erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen, um sich gleich darauf erschrocken auf die Lippen zu beißen.
»Ich bin nicht verrückt, obgleich ich mein Los leichter ertragen hätte, wenn ich im Lauf der Zeit ein wenig irre geworden
wäre. Sie wussten, dass ich einen starken Geist habe – das ist, in ihrem Denken, ein Teil des Problems und auch der Grund für diese besondere Strafe, die sie über mich verhängt haben.« »Sie?« Verstohlen bewegte sie die Finger zum Messer hin. Sie wäre in der Lage, es zu benutzen, sagte sie sich. Und wenn es sein müsste, würde sie es auch benutzen, gleichgültig, wie traurig und einsam er auch wirkte.
»Die Wächter. Die Alten und Ehrwürdigen, die die Zauberkunst hüten und hegen. Die das schon immer getan haben, seit dem Anbeginn der Zeiten, als der Himmel seinen ersten Atemzug nahm.«
»Götter?«, hakte sie vorsichtig nach.
»Mitunter wird das so gesehen.« Er verfiel erneut ins Brüten, starrte finster in die Flammen. »Ich kam als Zauberer zur Welt, und als ich alt genug war, verließ ich meine Familie, um die Kunst auszuüben. Das kann heilen und helfen bedeuten. Oder auch unterhalten. Manche von uns haben eher eine Begabung für die spaßige Seite der Zauberkunst.«
»Wie, ehm, eine Frau zersägen?«
Er musterte sie mit einer Mischung aus Erheiterung und Empörung. »Das ist Varietézauber, Kayleen. Pures Blendwerk.«
»Und?«
»Ich rede hier von Magie, nicht von Täuschung. Manche von uns machen Prophezeiungen, andere reisen durch die Welt, um die letzten Geheimnisse zu erforschen. Manche widmen ihre Kunst der Heilung von Leib und Seele, andere finden durch öffentliche Darbietungen ihre Befriedigung.
Einige machen sich auch als Lehrmeister verdient, so wie Merlin für Arthur. Es gibt so viele Möglichkeiten wie es Zauberer gibt. Und solange ein Zauberer seine Kräfte nicht zum Schaden anderer oder zum eigenen Vorteil einsetzt, ist alles erlaubt.«
Er zog eine lange Kette unter seinem Hemd hervor, an der ein Anhänger mit einem milchigen Stein hing. »Ein Mondstein«, erklärte er und hielt ihr den Anhänger hin, damit sie ihn betrachten konnte. »Die rings um den Stein eingravierte Inschrift bedeutet meinen Namen und meinen Titel. Draiodoir. Zauberer.«
»Wunderschön.« Außerstande zu widerstehen, schloss sie die Hand
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