Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Sekunden, ehe Kayleen sich wieder unter Kontrolle hatte. »Woher kommen diese ganzen Speisen?«
Er seufzte. Er hatte Freude erwartet und erntete stattdessen Entsetzen. Frauen waren ein ewiges Rätsel. Noch etwas, worauf sich ein Mann verlassen konnte, dachte er.
»Setzen Sie sich bitte. Essen Sie.«
Trotz ihrer Panik gelang es ihr, mit ruhiger und fester Stimme zu sprechen. »Ich möchte gern wissen, woher diese Speisen kommen. Ich möchte wissen, wer sonst noch hier wohnt. Wo ist Ihre Gattin?«
»Ich habe keine Gattin.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht.« Sie wirbelte herum und funkelte ihn an. Seine Unverfrorenheit machte sie so wütend, dass jede Angst von ihr abfiel. »Wenn Sie keine Gattin haben, dann eben eine Freundin oder Geliebte, wie immer Sie es nennen wollen.«
»Ja. Ich habe Sie.«
»Zurück … Bleiben Sie, wo Sie sind!« Sie schnappte sich ein Messer vom Tisch und richtete es auf ihn. »Kommen Sie ja nicht näher. Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, und es interessiert mich auch nicht. Ich werde jetzt gehen, und niemand wird mich daran hindern.«
»Nein.« Mit einem Schritt war er bei ihr und nahm ihr das, was jetzt plötzlich eine Rose war, behutsam aus der Hand. »Sie werden sich hinsetzen und essen.«
»Ich muss im Koma liegen.« Verdutzt starrte sie auf die weiße Rose in seiner Hand und dann auf ihre eigene leere Hand. »Ich hatte einen Unfall. Ich habe mir den Kopf angeschlagen und leide jetzt unter Halluzinationen.«
»Alles, was Sie hier sehen und erleben ist wirklich. Niemand kennt die Grenze zwischen Realität und Traum besser als ich. Nehmen Sie Platz.« Er deutete auf einen Stuhl und fluchte leise, als sie störrisch stehen blieb. »Habe ich nicht gesagt, ich werde Ihnen nichts tun? Unter all meinen Sünden ist niemals eine Lüge oder Gewalt gegen eine Frau gewesen. Da.« Er streckte die Hand aus, in der sich nun wieder das Messer befand. »Nehmen Sie es und stoßen Sie getrost zu, falls ich mein Wort nicht halten sollte.«
»Sie sind …« Das Messer lag fest in ihrer Hand. Nur ein Taschenspielertrick, sagte sie sich. Eine optische Täuschung. »Sie sind ein Zauberer.«
»Ja, das ist richtig.« Sein Grinsen war wie ein Blitz, jäh und blendend. War er vorher schon attraktiv gewesen, so war er jetzt schlicht umwerfend. Er strahlte und funkelte. »Genau das bin ich. Und jetzt setzen Sie sich endlich, Kayleen, und teilen Sie das Mahl mit mir. Denn ich bin sehr ausgehungert.«
Argwöhnisch trat sie einen Schritt zurück. »Das ist mir alles zu viel.«
In der Annahme, sie meinte die vielen Speisen, wandte er sich stirnrunzelnd der Tafel zu. »Vielleicht haben Sie Recht. Ich habe mich hinreißen lassen.« Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die Auswahl, nickte dann und vollführte mit der Hand eine halbkreisförmige Bewegung.
Die Hälfte der Speisen verschwand.
Kayleen glitt das Messer aus der Hand. Sie verdrehte die Augen, so dass nur noch das Weiße zu sehen war.
»Ach, du liebe Güte!« Er war ebenso ungehalten wie besorgt. Aber diesmal hatte er zumindest die Geistesgegenwart, sie aufzufangen, bevor sie zu Boden sank. Er setzte sie in einen Stuhl, schüttelte sie leicht und beobachtete dann, wie ihre Augen wieder klar wurden.
»Sie haben also nichts verstanden?«
»Verstanden? Was verstanden?«
»Ich werde es erklären müssen.« Er machte einen Teller für sie zurecht. »Sie müssen essen, sonst werden Sie krank. Ihre Verletzungen werden schneller heilen, wenn Sie kräftig sind.«
Er stellte den Teller vor sie hin und belud sich gleichfalls den seinen. »Was wissen Sie über Magie, Kayleen Brennan aus Boston?«
»Zaubervorstellungen sind unterhaltsam.«
»Mitunter trifft das zu.«
Sie würde etwas essen, beschloss sie, weil sie sich tatsächlich geschwächt fühlte. »Und sie sind eine Sinnestäuschung.«
»Auch das trifft mitunter zu.« Er nahm den ersten Bissen
– eine Scheibe Roastbeef – und stöhnte vor Genuss auf. In seiner allerersten freien Woche hatte er sich gleich so voll gestopft, dass er anschließend einen ganzen Tag lang krank war. Aber das war es ihm wert gewesen. Inzwischen hatte er freilich gelernt, sich Zeit zu lassen und zu genießen.
»Erinnern Sie sich jetzt, wie Sie hierher gekommen sind?«
»Es hat geregnet.«
»Ja, es regnet noch immer.«
»Ich war unterwegs zu …«
»Wie waren Sie unterwegs?«
»Wie?« Sie nahm ihre Gabel und machte sich abwesend über den Fisch her. »Ich bin gefahren … Ja, ich bin mit dem
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