Im Licht des Blutmondes
seines Clans trieben uns zusammen. Vor meinen Augen tranken sie meine Frau leer und begannen dann über uns andere herzufallen. Was der Vampir damals nicht wusste, war, dass einer der Vampire, die ihn begleiteten, Mitleid mit uns empfand, und anstatt uns sterben zu lassen, flößte er uns heimlich etwas von seinem Blut ein. In der darauffolgenden Nacht erwachten wir ebenfalls als Vampire.“ Fayn lächelte traurig. Ihr Bruder hatte nur die Kurzversion erzählt, doch Fayn standen die Bilder wieder deutlich vor Augen. Joleen schien es ähnlich zu gehen, denn inzwischen rannen Tränen ihre Wangen hinab.
„Das tut mir so leid“, flüsterte sie. Die Stimme der jungen Blutsklavin klang dabei todtraurig.
„Mir auch“, erwiderte Nikolas, doch er wirkte gefasst. „Nun, als du damals zu uns kamst, dachte ich im ersten Augenblick, meine kleine Theresa würde vor mir stehen. Du warst ihr so unglaublich ähnlich.“ Nikolas lächelte wehmütig. „Das war auch der Grund, wieso ich damals deinem Flehen nachgegeben habe, als du gebeten hast, man möge deine Mutter retten.“ Joleen zuckte kurz zusammen und ihr Blick wurde schuldbewusst.
„Wenn ich gewusst hätte, was passieren würde, hätte ich euch niemals darum gebeten“, murmelte Joleen.
„Nichts von dem, was geschah, ist deine Schuld, Joleen“, erklärte Nikolas. Plötzlich lächelte er sehr sanft. Fayn kannte diesen Blick. So hatte er Theresa immer angesehen. „Als mir heute klar wurde, dass die Bluthure, die ich gewählt hatte, eines jener Kinder gewesen war, die dir damals so zugesetzt haben, dass sie eine der Lieblingsschülerinnen deiner Mutter gewesen war, da hatte ich meine Gefühle nicht mehr im Griff. Der Blutrausch hatte mich gepackt, ehe ich wusste, wie mir geschah.“ Er sah Joleen ruhig an. Fayn spürte, wie sich die Finger der Bluthure langsam von ihren lösten.
Überrascht sah Fayn dabei zu, wie Joleen aufstand und Nikolas plötzlich fest umarmte. Nikolas‘ Augen weiteten sich erstaunt. Doch dann erwiderte er zögernd Joleens Umarmung.
„Ich bin sehr froh, dass du mir das erzählt hast“, flüsterte Joleen weinend. „Jetzt habe ich keine Angst mehr. Und ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.“ Fayn schüttelte erstaunt lächelnd ihren Kopf. Wieder hatte Joleen es geschafft, sie alle zu überraschen.
***
J OLEEN
Tony ließ sich tiefer in die Kissen sinken und ihr Blick wanderte wehmütig durch den Raum. Joleen betrachtete die Bluthure genau. Ihr Gesicht war eingefallen, ihr Haar stumpf, ihre Haut wirkte beinahe durchscheinend und war trocken.
„Woran denkst du gerade?“, fragte Joleen leise und Tonys Blick flatterte kurz, ehe er sich auf sie richtete. Tony seufzte tief und lächelte dann.
„Daran, wie gerne ich zu dieser Jahreszeit immer den Mittelaltermarkt im Ort besucht habe“, erklärte sie ruhig. „Frisch gezapften Met trinken, und die Stände abklappern. Jedes Jahr habe ich mir eine Halskette von dort gekauft.“ Mit ihren dünnen Fingern deutete sie auf den Schminktisch, der vor ihrem Fenster stand. „Sie sind alle dort drinnen. Eine schöner als die andere. Und jede einzigartig, weil sie handgemacht sind.“ Nun musste auch Joleen traurig lächeln. Tony war sehr schwach. Inzwischen konnte sie nicht einmal mehr das Bett verlassen.
„Vielleicht können wir ja jemanden bitten, dir etwas Met mitzubringen“, erwiderte Joleen. Tony lächelte und schüttelte dann ihren Kopf.
„Das wäre nicht das Gleiche“, antwortete Tony. „Aber die Halsketten hätte ich mir gerne angeschaut.“ Tony senkte ihren Blick und ihr Lächeln wurde noch ein wenig trauriger. Joleen wollte so gerne etwas für sie tun. Am liebsten wäre sie losgegangen und hätte sämtliche Halsketten dort gekauft, doch sie durfte das Haus nicht verlassen. Zach würde erst morgen Abend wiederkommen und Joleen wusste nicht, ob Tony so lange noch bei ihr sein würde.
Vielleicht, wenn sie sich heimlich davonschlich? Sie zitterte kurz. Zach würde es hinterher sicherlich herausfinden und böse mit ihr sein, doch wenn sie dann ohnehin schon wieder heil und sicher Zuhause war, würde seine Wut nicht lange anhalten. Und heute Abend bot sich geradezu an, denn das Haus war ungewöhnlich leer. Die Bluthuren und Cirrus‘ Blutsklavinnen waren irgendwo hingegangen, vielleicht sogar zu dem Mittelaltermarkt? Sie würde aufpassen müssen, dass sie niemandem begegnete, der sie erkannte.
Die Tür zu Tonys Zimmer öffnete sich und Agenta trat ein. Joleen sprang auf und
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