Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
sie in Ruhe. Phoebe bewegte sich so gut wie gar nicht. Erst als er vor der letzten Kurve abbremste und schließlich zum Stehen kam, öffnete sie die Augen.
Das Haus wirkte ziemlich vornehm. Es war auf eine traditionelle Art elegant, wurde jedoch von einer umlaufenden Dachterrasse gekrönt, die ihm das gewisse Etwas verlieh. Es war von Eichen mit dicken Moosflechten umgeben, die einen eindrucksvollen Kontrast zu dem hellblauen Putz und den weiß eingefassten Fenstern bildeten. Ziergärten mit Azaleen, die kurz vor dem Aufblühen standen, nahmen das Vornehme etwas zurück und verliehen dem Anwesen einen besonderen Charme. Überall standen Töpfe und Körbe mit den verschiedensten Blumen herum, und Sonnenliegen und großzügige Sessel luden zum Entspannen ein.
»Es ist schön hier.«
»Ja, so langsam finde ich Gefallen daran.« Er stieg aus und ging zur Beifahrerseite. »Komm, ich geb dir die Hand.«
»Danke.« Sie stützte sich auf ihn.
»Keine Ursache.« Er führte sie die Stufen zur Veranda hinauf und zur Tür mit dem keltischen Buntglasornament.
»Wie lange wohnst du schon hier?«
»So ungefähr fünf Jahre. Überwiegend. Ich dachte eigentlich, dass ich es verkaufe … aber das ist eine lange Geschichte.« Er lächelte ihr kurz zu und schloss dann die Tür auf.
Ein goldenes Licht brachte die harmonischen Farben zum Leuchten. Ein großzügiger Raum mit breiten Torbögen empfing sie, wo eine elegante Wendeltreppe dafür sorgte, dass man sich nicht verloren darin vorkam. Sie ging vorsichtig neben ihm her, quer durchs Foyer ins Wohnzimmer. Dort gingen Atriumtüren auf eine Terrasse hinaus, an die sich weitere Ziergärten anschlossen, in deren Mitte ein Baum stand, um den sich malerisch Glyzinien rankten Im rechten Winkel zur Fensterfront stand ein Klavier, Sessel und Sofagruppen in sanften Grautönen bildeten einen schönen Kontrast zu den burgunderroten Wänden.
Nachdem er sie zu einem Sessel geführt hatte, ging er zu den Glastüren.
»Ich mag deinen Garten.«
»Ich auch. Ich habe mich in einen leidenschaftlichen Gärtner verwandelt, seit ich hier rausgezogen bin.«
»Das kann ich mir vorstellen. Das ist aber ein ziemlich großes Haus für einen alleinstehenden Mann, findest du nicht?«
»Ja. Deswegen wollte ich es auch verkaufen. Aber inzwischen habe ich mich hier überall ausgebreitet.«
»Hast du …« Sie drückte ihre Stirn gegen das kühle Glas und schloss die Augen. »Es tut mir leid. Es tut mir leid. Ich fürchte, jetzt kommt der Nervenzusammenbruch.«
»Das ist schon in Ordnung.« Er legte eine Hand auf ihren Rücken, spürte, wie sie zitterte, und wusste, dass der Gefühlssturm gleich über sie hereinbrechen würde. »Lass los.«
Er hielt sie fest, als sie sich zu ihm umdrehte, hielt sie fest, als sie zu schluchzen begann. Er trug sie zum Sofa, wiegte sie dort in seinen Armen. Und er hielt sie fest, während sie von diesem emotionalen Ansturm geschüttelt wurde.
8
Sie schämte sich nicht für ihre Tränen, nicht für diese. Sie war dankbar dafür, dass er nicht der Typ Mann war, der Frauen unbeholfen den Rücken tätschelte und war, der Frauen unbeholfen den Rücken tätschelte und ihnen sagte, dass sie nicht weinen sollen. Er bot ihr einfach nur Schutz und ließ sie weinen.
Als das Zittern nachließ und die Tränen versiegten, küsste er sie sanft auf ihre blaue Schläfe. »Geht es dir jetzt ein bisschen besser?«
»Ja.« Sie atmete tief ein, und als sie wieder ausatmete, hatte sie sich wieder gefasst. »Meine Güte, ja.«
»Wir machen jetzt Folgendes: Ich bring dir was zu trinken, und dann erzählst du mir, was passiert ist.« Er hob ihr Gesicht, bis sich ihre Blicke trafen. »Danach sehen wir weiter.«
»Einverstanden.«
»Ich habe nur leider kein Dingens … kein Taschentuch.«
»Ich hab Papiertaschentücher in meiner Handtasche.«
»Gut …« Er zog sie neben sich aufs Sofa. »Und falls du aufs Klo musst: Das ist gleich hier rechts.«
»Gute Idee.«
Nachdem er gegangen war, blieb sie noch eine Weile so sitzen und tankte neue Kraft. Stöhnend erhob sie sich und griff nach der Handtasche, die sie auf dem Couchtisch abgelegt hatte. Anschließend ging sie über den blank polierten Boden unter dem Torbogen durch zur Toilette.
Als sie ihr Gesicht in dem langen, ovalen Spiegel zum ersten Mal sah, stöhnte sie laut auf. Aus Eitelkeit, aber auch vor Entsetzen. Ihre Augen waren rot und verquollen, außerdem war das rechte ganz blau, ein Eindruck, der durch das schwarz verkrustete
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